Gesetze der Lust
Mal angestellt hatte, aber er beschloss, dass jetzt nicht der beste Zeitpunkt war, um ihr zu erzählen, dass er den Sommer über wegfahren würde.
„Okay, ich lese ein bisschen.“
„Michael, vermisst du zufällig etwas?“, fragte seine Mom, bevor er die Küche verlassen hatte.
„Was? Nein, ich glaube nicht.“
Seine Mutter bedachte ihn mit einem intensiven, suchenden, nur zu vertrauten Blick – einem Blick, den er in den letzten drei Jahren oft von ihr gesehen hatte. Er hatte ihm sogar einen Namen gegeben: es war der Wer bist du und was hast du mit meinem Jungen gemacht -Blick. Das lange Haar, die schmutzigen Bilder von den Websites und die Verbrennungen, der Abend, an dem er versucht hatte, sich umzubringen … Michael wusste, dass seine Mutter fest davon überzeugt war, dass er vor Jahren den Verstand verloren hatte und ihn nie wieder zurückgewinnen würde.
Sie schüttelte den Kopf und ging zur Hintertür. Dort holte sie sein Skateboard hervor und reichte es ihm.
„Danke. Das habe ich irgendwo vergessen.“
„Ja, auf dem Rücksitz von Nora Sutherlins Auto.“
Mist. Michael atmete tief durch und beschloss, ein kleines Ablenkungsmanöver einzubauen – eine Überlebensstrategie, die Father S. ihm während ihrer Beratungsgespräche beigebracht hatte.
„Das ist ein BMW Z4 Roadster, der hat keinen Rücksitz.“
In ihren Augen blitzte Wut auf.
„Was hast du in Nora Sutherlins BMW Z4 Roadster, der keinen Rücksitz hat, zu suchen, Michael?“
„Nichts. Sie hat mich nach der Kirche nach Hause gefahren.“
Michaels Mutter starrte ihn weiter an.
„Du weißt, dass sie alt genug ist, um deine Mutter zu sein,oder? Jaja, sie sieht nicht so aus und Gott weiß, sie benimmt sich auch nicht so, aber trotzdem ist sie es.“
„Sie hat mich nur nach Hause gefahren, Mom. Weil sie nett ist. Sie ist nicht das, wofür du sie hältst.“
„Ich halte sie für eine gefährliche Frau. Und ich denke, du könntest verletzt werden, wenn du mehr Zeit mit ihr verbringst.“
Michael dachte an Nora, daran, wie unbeschwert sie ihr Leben lebte. Würde er irgendwann auch mal so furchtlos sein wie sie? Michael erinnerte sich daran, wie er vor ein paar Monaten nach der Kirche noch ein wenig im Flur herumgelungert und eine Unterhaltung belauscht hatte. Eine der alten Schachteln aus der Gemeinde hatte sich darüber ausgelassen, wie grässlich doch Analverkehr sei. Nora hatte ihr den Rücken getätschelt und gesagt: „Wenn Sie es grässlich finden, machen Sie es falsch. Beugen Sie sich weit vor und entspannen Sie sich. Dann gleitet er ganz leicht hinein.“ Dann war sie davongeschwebt und hatte die alten Damen errötend und stotternd zurückgelassen. Michael war in die Herrentoilette gelaufen und hatte sich vor Lachen nicht mehr eingekriegt.
Furchtlos. Das könnte er auch sein.
„Ich mag es, wenn mir wehgetan wird“, sagte er.
Seine Mutter schüttelte den Kopf. „Erinnere mich bloß nicht daran.“
Michael drehte sich um und wollte die Küche verlassen. Er fühlte sich, als wenn er den Großteil der letzten zwei Jahre damit verbracht hatte, seiner Mutter den Rücken zuzuwenden und zu gehen. Dabei würde er viel lieber auf sie zulaufen und sie umarmen, als sie erneut hinter sich zu lassen – aber das schien nicht mehr möglich zu sein.
„Ich werde den Sommer über nicht hier sein. Am Donnerstag fahre ich los. Das ist doch in Ordnung, oder?“
„Meinetwegen“, erwiderte seine Mutter. Er meinte, einen Hauch Erleichterung in ihrer Stimme zu hören. „Wenn du denkst, dass du das tun musst. Arbeitest du wieder als Campbetreuer?“
„So in der Art“, sagte er. „Ich habe genug Geld für die Reise, darüber musst du dir also keine Sorgen machen.“
„Ich mache mir seit dem Tag deiner Geburt Sorgen. Warum sollte ich jetzt damit aufhören?“
Eigentlich wollte er lachen, aber er brachte keinen Ton heraus. Langsam streckte er die Hand nach der Türklinke aus.
„Michael?“
Zögernd drehte er sich um und schaute seine Mutter an.
„Du gehst nicht in ein Camp, oder?“
„Mom, ich …“, fing Michael an und hielt dann inne.
„Ich will vermutlich lieber nicht wissen, was du diesen Sommer über tust, oder?“
Michael dachte gründlich nach, bevor er antwortete.
„Nein, vermutlich nicht.“
Søren setzte die Klinge an Noras Hüfte an.
Ein leichter Schnitt, nur drei Zentimeter lang. Ein wenig Blut quoll hervor, glitt in einem dünnen Rinnsal über ihre Hüfte und trocknete auf ihrer Haut, bevor es die
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