Gesetze der Lust
sich aufs Bett und schob sich über sie.
Er neigte den Kopf und gab ihr einen Kuss. Sie liebte es, wie er sie küsste. Als gehöre sie nur ihm. Manchmal staunte Nora über die Tatsache, dass sie mehr Liebhaber gehabt hatte, als sie zählen konnte, wohingegen Søren seinen Körper in seinem ganzen Leben nur mit drei Personen geteilt hatte. Nora schlangihre Arme um ihn, um Søren näher an sich heranzuziehen. Nur ganz selten durfte sie ihn berühren, wenn sie sich liebten. Søren war ein Sadist und dominant. Wenn er sie nahm, war sie meistens gefesselt, entweder ans Bett oder ans Andreaskreuz. Nur in besonderen Nächten wie dieser ließ er ihre Arme und Beine frei. Der Akt, den er vollziehen würde, war so sadistisch, dass es keiner weiteren Hilfsmittel bedurfte, um ihn zu befriedigen.
Søren zog sich von ihr zurück und griff nach etwas. Nora grub ihre Finger in die Laken … die gefährlichen schwarzen Laken.
Sie schaute auf und direkt in seine grauen Augen – ein Grau wie ein heraufziehender Sturm.
Als er seinen Arm zurückzog, sah sie die schmale, gebogene Klinge in seiner Hand aufblitzen.
Michael ging unruhig in seinem Zimmer auf und ab und überlegte, wie genau er seiner Mom sagen sollte, dass er vorhatte, den Sommer über nicht hier zu sein. Er hasste es, sie anzulügen. Aber er konnte ihr auch nicht offen sagen, dass er mit Nora Sutherlin zusammen wegfahren würde. Seine Mom ahnte, was mit ihm los war. Zumindest wusste sie, dass er nicht so war wie andere Jungs in seinem Alter. Seine Mitschüler handelten sich Schwierigkeiten ein, weil sie den Playboy unter ihrer Matratze versteckten oder eine Cheerleaderin schwängerten. Aber Michael hatte Ärger bekommen, weil er sich selbst Brandwunden und andere Verletzungen zufügte, sich Bilder von gefesselten Männern, die von Frauen und anderen Männern geschlagen wurden, herunterlud. Und wenn er sich Ärger einhandelte, dann bekam er kein Hausverbot. Er wurde geschlagen und von seinem Dad so hart gegen die Wand geschleudert, dass er überall am Körper blaue Flecken hatte – und zwar nicht die gute Sorte.
Irrer… Perverser… Freak … Es gab kein Schimpfwort, das sein Vater ihm nicht an den Kopf geworfen hatte. Als seine Mutter versucht hatte, ihn gegen seinen Vater zu verteidigen, indem sie sagte, Michael sei noch jung und verwirrt, hatte sein Vatersie auch geschlagen. Bald hatte es jeden Tag Streit gegeben, bis sein Dad schließlich ausgezogen war. Michaels Mom war in eine Schockstarre gefallen und hatte sich davon bis heute noch nicht wieder vollständig erholt. An dem Abend, an dem Michael sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte, war ihm immer nur ein Gedanke durch den Kopf gegangen: Wenn er starb, hätten seine Eltern vielleicht endlich nichts mehr, worüber sie sich streiten mussten.
Michael atmete tief durch und verließ sein Zimmer. Er fand seine Mutter in der Küche, wo sie gerade die Einkäufe wegräumte.
„Hey“, sagte er und rieb sich die Arme, als wäre ihm kalt. Doch die Gänsehaut rührte nicht von der Kälte her.
„Selber hey“, sagte sie, während sie eine Plastiktüte zusammenknüllte und unter die Spüle warf. Trotz zwei Schwangerschaften und einer zerbrochenen Ehe war seine Mom immer noch sehr hübsch. Von ihr hatte Michael sein glattes dunkles Haar geerbt, die zierliche Gestalt und die blasse Haut. Von seinem Dad hatte er, soweit er das beurteilen konnte, nichts geerbt. Manchmal fragte er sich, ob sein Dad wirklich sein Vater war. Niemand in der Familie seiner Mutter oder seines Vaters hatte seine Augenfarbe. Aber er wusste, dass das nur Wunschdenken war. Er sah der jüngeren Schwester seines Vaters sehr ähnlich – also gab es da draußen vermutlich keinen liebevollen, gütigen Vater, der nur darauf wartete, von seinem Sohn gefunden zu werden.
„Kann ich dir helfen?“ Michael hatte gelernt, erst zu fragen. Egal wohin er etwas packte, seine Mutter räumte es immer auf den geheimnisvollen „richtigen“ Platz.
„Danke, ich bin fast fertig. Wie war dein Tag?“ Sie öffnete den Schrank über dem Herd und schob die Karaffen und Gläser näher zusammen, um Platz zu schaffen.
„Gut. Ich bin froh, dass die Schule vorbei ist. Ich habe unsere Bücher zur Bücherei zurückgebracht. Du hattest sie doch durchgelesen, oder?“
„Ja, danke.“
Michael trat von einem Fuß auf den anderen. Die angespannte Haltung seiner Mutter und ihre Weigerung, ihm in die Augen zu sehen, bedeuteten nichts Gutes. Er war nicht sicher, was er dieses
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