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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Der Schrank ist voll mit Kleidung in Ihrer Größe.«
    Wie Clara in dem quasi-hypnotischen Schwebezustand, in dem sie sich durch Axel befand, die reich ausgestattete Wohnung erkundete (mochte diese im Hinblick auf Farben, Möbel und Bezüge auch etwas matt sein), fühlte sie sich durch und durch glücklich.
    Am Ende zeigte ihr Axel einen würfelförmigen Raum (der einem Sechstel des Gesamtvolumens von Opera entsprach) mit einer weiteren fliegenden Raumkapsel, einer genauen Replik der großen, nur achtmal kleiner, einer »Opera 2«, in deren Innern sich ebenfalls ein gemütliches Wohnstudio mit Bildschirmund himmlischer Musik befand. Diese Opera 2, ein Puppenhaus, dem Marieski und seine Mannschaft den Spitznamen »Rettungsboot« gegeben hatten, und die sich ebenfalls von Axel 2 steuern ließ, erlaubte es, kurze Ausflüge zu machen und bestimmte Zonen der Planeten, auf denen Axel landete, bequem zu erkunden.
    Clara lauschte den Worten dieses kleinen Mannes mit der staunenden und vertrauensseligen Aufmerksamkeit eines Kindes.
    Axel hielt ihre Uhr an, damit sie das Verstreichen der Zeit nicht bemerkte.
    Er betrachtete sie beim Schlafen, wie sie ganz hingegeben, rein und schön dalag, und ließ seinen Gefühlen freien Lauf: Ja, was für eine Ähnlichkeit mit Christina, seiner alten Liebe, die nur wenige Stunden gedauert hatte – die Haare, ja selbst die Gesichtsform …
    Diese Augen, als sie sie zwei Stunden später wieder aufschlug (etwas dunkler als vor dem Schlaf, etwas grüner, etwas weniger blau) und ihn anlächelte. Dieses Lächeln! Und dann, höchste Stufe der Vollkommenheit, sowohl kindlich als auch sinnlich, dieser etwas »zu« sichtbare Glanz der oberen Schneidezähne, der durch die geöffneten Lippen schimmerte!
    Im Augenblick war er damit beschäftigt, in einer eleganten und präzisen Sprache (die auch blumig und verspielt sein konnte, wenn ihm der Sinn danach stand) die Ereignisse des Tages in ein mit hellgrauem Leder gebundenes Heft einzutragen: seinen Abflug von Renata am 12. Mai (21. irdischer Mai), seine Reise (die bedeutsamste in seiner ganzen Karriere, was hier auf dem Spiel stand, war unvergleichlich), eine Reise, in deren Verlauf er sich mit allen Informationen vollsog, die in Ethans Bericht standen, seine Ankunft auf der Place de l’Opéra kurz bevor seine Gefangene aus dem Haus ihrer Freundin, der Cellistin Mireille Bel kam.
    Seine zweite Begegnung mit Clara Nomen (die erste hatte seiner Ansicht nach in Rafis Büro stattgefunden).
    Sie fragte ihn nach der Verwendung des Hefts. Er reichte esihr. Der Ledereinband, die feinen, verschlungenen grau-rosa Blumen, die auf den Schnitt gedruckt waren, erinnerten Clara an das ihrer Mutter, aber die Erinnerung hatte Mühe, sich einen Weg durch ihren Geist zu bahnen, es war die Erinnerung an eine andere Welt, ein anderes Leben.
    »Ich führe auf jeder Reise Tagebuch«, sagte er. »Alle Hefte zusammen werden meine Memoiren ergeben. Ich habe gerade den Anfang des letzten Kapitels niedergeschrieben.«
    Clara war über die renatinische Schrift verwundert und amüsiert, kam diese doch ganz ohne gerade Linien, ohne Stäbe aus und bestand nur aus Wellen, aus Kurven und Kreisen verschiedener Größe.
    Zögernd verharrte ihr Finger auf einer Zeile am Kopf einer Seite.
    »Können Sie mir sagen, was dort steht?«
    Axel sah nach. Er konnte, es war kein kompromittierender Passus.
    »Ich heiße Axel. Kommen Sie mit mir. Clara nahm meine Hand und folgte mir in Opera, die Kümmernisse des Tages bereits hinter sich lassend.«
    Clara klappte das Heft zu.
    »Was für Kümmernisse?«, fragte sie.
    »Sie haben traurig ausgesehen. Ich dachte bei mir, dies war bestimmt kein guter Tag für Sie. Aber nun ist alles wieder gut, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte Clara aus tiefster Überzeugung.
    Er ließ sich von ihrem Beruf als Pianistin erzählen – und machte allerlei Kommentare zu den Komponisten, Musikern, Konzertsälen und Klaviermarken, Kommentare, die so stichhaltig und originell waren, dass Clara verblüfft feststellte, er wisse alles – aber aufgrund des Zustands subtiler Entrückung und Heiterkeit, in der er sie dank seiner unfehlbaren Kunst gefangen hielt, war ihre Verblüffung gewissermaßen entheimlicht (ja, genau dieses Wort aus Claras Sprache kam Axel in den Sinn).
    Mehrmals stellte die junge Frau direktere Fragen zum Grund ihrer Anwesenheit in Opera und zur Rolle, die sie zu spielen hätte, sobald sie am Ziel angekommen wären. Axel hatte immer eine beruhigende Antwort

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