Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
Vom Netzwerk:
parat, die sie stets zum Lächeln brachte und bei der sie am liebsten die Augen geschlossen hätte, wurde sie doch von einer großen inneren Ruhe durchströmt, sobald sie seine Stimme hörte – und so gelang es ihm, die tödliche Angst, die sie ergriffen hätte, wenn sie von ihrem wahren Los erfahren, ja, sogar die Melancholie, die den Weltraumreisenden zuweilen befällt, von ihr abzuwenden (Axel hätte ein langes Traktat über die vielfältigen Ausprägungen der bitteren Gemütsverfassungen schreiben können, mit denen die Vermesser der Lichtjahre milliardenfach zu kämpfen hatten).
    Es war Kaffeezeit. Axel fragte sie, ob sie hungrig sei: Ja, sie war hungrig. In der Küche nahm sie sich ein paar runde Mürbeteigkekse, die sie in eine Schale mit schwarzem Kaffee tunkte, dem besten Kaffee, den sie je getrunken hatte, sagte sie. Dann wurde sie schläfrig. Sie äußerte den Wunsch, sich ins Schlafzimmer zu begeben und in ein richtiges Bett zu legen, ihre Kräfte verließen sie.
    Genau das hatte Axel beabsichtigt.
    Er musste allein sein, um nachzudenken – und um gegen ein ihm noch unbekanntes Unbehagen anzukämpfen, das mit der Zeit immer größer wurde. Er geleitete sie zum Schlafzimmer und ließ sie dort allein.
    Vor Müdigkeit ganz benommen zog sich Clara vollkommen aus, wie es ihre Gewohntheit war, und schlüpfte in ein weiches und einladendes Bett, in dem sie den größten Teil der Reise schlafend verbrachte: bis zum übernächsten Abend, den 26. Mai.
    Axel blickte auf den Bildschirm im Hauptraum, ohne etwas zu sehen. Erneut Gefangener seines Schicksals – jener Obsession, die das Ziel seiner zahlreichen Einsätze gewesen war: Renata wieder Leben einzuhauchen – und mit einem Schritt, der nach seinemGeschmack hätte beherzter sein dürfen, durchmaß er den Raum seiner Gedanken, doch hin und wieder krampfte sein Herz sich zusammen und er war tunlichst darauf bedacht, jene Gefilde zu vermeiden, in denen der Gedanke lauerte, dass er Clara zur Opferbank führte (und noch tunlicher jene anderen Gefilde, in denen insgeheim der umgekehrte Gedanke heranreifte, dass er nur geboren wurde, um sie zu beschützen, um sie zu erretten).
    Auch er aß und schlief (jedoch mit stets hellwachem Geist). Er hatte es eilig, das Ziel der Reise zu erreichen. Vielleicht würde sein Unbehagen verfliegen, wenn er erst wieder auf Renata wäre.
    Er wachte über Claras Schlaf und veränderte dessen Intensität, wann immer es ihm nötig erschien. (Dazu musste er nicht einmal ihr Zimmer betreten, er konnte seine Kräfte von dort ausüben, wo er sich befand, wenn auch um den Preis einer größeren geistigen Anstrengung – und immer vorausgesetzt, dass er und die andere Person sich gedanklich sehr nahe standen: Dies war bei Clara der Fall, so war es von der ersten Sekunde an gewesen, als er dreizehn Tage zuvor ihr Bild in Rafis Büro erblickt hatte.)
    Er analysierte die Angaben, die Axel 2 ihm fortlaufend übermittelte (entweder zeigte Axels 2 sie an oder er flüsterte sie Axel zu, ganz nach Wunsch).
    Alles lief normal.
    Aber es blieb nicht alles normal. Am 26. abends ereigneten sich zwei Phänomene, die er beunruhigend, ja, alarmierend fand.
    Als erstes tauchte auf dem Bildschirm ein Planet auf, über den Axel 2 ihm mitteilte, dass es ihn auf der Hinreise in diesem Bereich des Alls nicht gegeben hatte, dass dieser (kleine) Planet auf keinem Plan verzeichnet war, fügte Axel 2 hinzu (und Gott weiß, dass die Spezialisten von Renata die kosmische Kartographenkunst in anderthalb Jahrhunderten zur höchsten Perfektion getrieben hatten). (»Wäre diese Feststellung von Axel 2 nicht unwiderlegbar gewesen«, schrieb Axel später in sein Tagebuch, »hätte ich die Möglichkeit einer Halluzination nicht ausgeschlossen.«)
    Dann beobachteten sie einen offenbar erheblichen Geschwindigkeitsverlust von Opera, denn nach zwei bis drei Minuten spürte Axel ihn sogar körperlich, trotz Marieskis zwölfter Erfindung, die den Effekt jeder noch so abrupten Geschwindigkeits- oder Richtungsänderung auf den Organismus des Raumfahrers neutralisierte.
    Ganz gleich, was er unternahm, um Kurs und Geschwindigkeit des Raumgleiters zu halten, es war wirkungslos: Er musste beunruhigt feststellen, dass der unbekannte Planet eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Opera ausübte.
    Auf diesem neuen Planeten war helllichter Tag.
    Von der heftigen Drosselung der Geschwindigkeit geweckt, öffnete die ganz zerzauste Clara sanft und träge die Augen. Gern wäre sie noch länger

Weitere Kostenlose Bücher