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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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kehrte ich nach Hause zurück, just um die Zeit, da nach mehrstündigem Schweigen plötzlich die Sonne hervorbrach – und schon im selben Augenblick wieder verschwand, kaum vorstellbar, dass es sich hierbei um ein natürliches Phänomen handelte, so schnell ereignete es sich, jemand hatte wahrhaftig einen Vorhang zugezogen.
    Ich legte mich aufs Sofa, um ein wenig Musik zu hören: Manolo Caracol, Stück für Stück dieselben Gesänge wie zwei Tage zuvor.
    Die letzten Noten von
Compañera y sobrerana
verklangen, als mein Telefon läutete. Es war der Notar Diego Ruiz, Maximes Geschäftspartner. Er bedauerte sehr, dass er nicht zur Beisetzung unseres gemeinsamen Freundes hatte kommen können. Er gab seiner Sympathie für mich Ausdruck. Nun rief er an, um Kontakt zu mir aufzunehmen, er stellte mir verschiedene Fragen und sagte, er würde sich in zwei oder drei Tagen noch mal melden, wir würden uns dann in seiner Kanzlei treffen. Wovon ich ihm in dem Moment – ganz unbekümmert – erzählte, der Leser wird es verstehen, der Leser weiß genug, um es zu verstehen – was ich ihm also erzählte, erfuhr ich gewissermaßen aus meinem eigenen Mund, so wenig hatte ich zuvor darüber nachgedacht: Ich legte ihm meinen Plan dar, am Boulevard Sucatraps einen Gewerberaum zu kaufen.
    Das, was Diego Ruiz als feinsinniger, guter Mensch von Maxime über mich erfahren hatte, verbat ihm jede falsche Deutung meines Vorhabens.
    »Ich vermute, Sie hätten es gern, wenn die Dinge rasch über die Bühne gingen?«, fragte er ganz schlicht.
    »Ja.«
    Ich schwöre, dass ich mich von Maxime unterstützt, ermutigt fühlte, als ich dieses »ja« aussprach.
    »Unter diesen Umständen sollten Sie Madame Duchand vorschlagen, mich zu kontaktieren. Ich werde mich schon mit ihr einigen.«
    Fünf Minuten später teilte ich der Leiterin der Agentur du Globe die Telefonnummer des Notars Diego Ruiz mit.
    Das Entsetzen über Maximes Tod schnürte mir die Kehle zu. Der Anblick des Sarges, der allmählich in den Schoß der Erde versank, wurde auf die Innenwand meines Schädels projiziert (Dauerprojektion) und dort von der Kehrseite meiner Augäpfel gesehen.
    Ich fiel in den Schlaf, einen unruhigen Schlaf, der zwei Stunden währte.
    Dann bemühte ich mich, meine parallelen Arbeiten in dem grünen und dem roten Heft voranzutreiben, bis Irène käme.
    Mit spitzen Lippen erkundigte sich Irène nach meinem Gemütszustand nach der erschütternden morgendlichen Zeremonie. Ich konnte nicht umhin, ihre Hand zu nehmen. Und ich besaß die Schwäche, meinem Kummer freien Lauf zu lassen (ich ging so weit,
sine impedimento
Maries Selbstmord zu erwähnen) – nein, das war keine Schwäche meinerseits, genauso wenig wie zuvor, als ich ihr von dem Verlust von Maxime erzählt hatte – nein, ich benutzte Irène nur, um mir selbst von der maßlosen Grausamkeit des Daseins zu erzählen.
    Dann verebbte meine Rede.
    Ich bemerkte, dass Tränen das helle Braun ihrer Augen benetzten und sie aufzuhellen schienen. Mitleid ihrerseits? Nein,natürlich nicht. Aber mit meinen Geschichten (genau das sagte sie zu mir, »mit deinen Geschichten«) hatte ich den Kummer über den Tod ihrer Katze Colas neu entfacht.
    »Die Leute sind sich dessen gar nicht bewusst«, sagte sie. »Aber der Tod eines Tieres geht einem genauso nahe wie der Tod eines Menschen.«
    »Stimmt«, sagte ich in dem Wunsch ihr beizupflichten.
    »Was?«
    Dieses »was« war eine Art erstickter Protestschrei. Was war in sie gefahren? Ich begriff es nicht.
    »Ich stimme dir zu, du hast recht, der Tod eines Tieres, an dem man hängt …«
    Mit empörter Miene fiel sie mir ins Wort:
    »Das ist wirklich nicht nett von dir! Du hättest sagen sollen …«
    Sie zögerte, da sie offenbar selbst nicht wusste, was ich hätte sagen sollen.
    »Was? Was hätte ich denn sagen sollen?«
    Nun, wenn ich »nett« gewesen wäre, hätte ich mich folgendermaßen verhalten sollen: ihr eben nicht beipflichten, sie nicht in diesem traurigen Gedanken bestärken, dass der Tod von Colas dasselbe wie der Tod eines Bruders oder eines Kindes war, nun hatte ich ihren Kummer noch vergrößert!
    Ja, lieber Leser, Irène war verrückt.
    »Aber, mein lieber Schatz, wenn ich gesagt hätte, dass es nicht stimmte, hättest duuuu …«
    Wenn ich mich darauf verstiegen hätte, ihrem traurigen Gedanken über Colas’ Tod im Speziellen und den von Haustieren im Allgemeinen zu widersprechen, hätten die Flammenwerfer ihrer Augen mir den Kopf versengt und meinem Satz ein

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