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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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geisterhafte Weise aus meinem Leben wie sie hineingestolpert war.
    Ich schloss meine Tür.
    Ich schlief auf dem Sofa ein. Ich schlief über drei Stunden.
    Beim Aufwachen arbeitete ich ein wenig an der Komposition meiner beiden Musikstücke (die ich am Tag zuvor
Adagio con fuoco
und
Morendo ma non troppo
genannt hatte, provisorische Titel), dann rief ich Anabel und Mireille an, ohne Neues in Erfahrung zu bringen, aber es tat mir gut, in meinem Unglück mit diesen beiden Personen zu sprechen.

K APITEL 20
DIE ERSTE URSACHE FÜR
DIE SELBSTZERSTÖRERISCHE GESTE
    Wir haben eine Region erforscht, die für den menschlichen Geist
bislang als unerreichbar galt, und zwar bis hinein in ihre
entferntesten und einsamsten Gefilde
.
Eric Temple Bell,
The Time Stream
    Aber oft straft die Natur uns Lügen
und befolgt nicht ihre eigenen Gesetze
.
Pascal,
Gedanken

Axel steuerte Opera 2 auf das Meer und die weiße, strahlende, stets im Untergang begriffene Sonne zu. Er überflog die rosaroten Landschaften von Nomen – diesem Gefängnisplaneten, auf dem ewiger Tag herrschte und ein regloser Sturm die Vegetation zu Boden drückte und das scharlachrote Meer mit seinen schwarzen Strömen in Erstarrung hielt – und folgte dem hellen Weg, der Nomen in zwei Hälften teilte, so wie eine kreisrunde Furche manches Obst.
    Schon bald war Axel von allen Seiten vom Meer umschlossen.
    Dann kam die ideale Stelle, aufgespürt von Axel 2, der seinem Herrn mit einem vertraulichen »Psst, psst!« den Hinweis gegeben hatte. Sie stoppten den Flug des »Rettungsboots«. Axel schlüpfte in seinen dünnen Raumanzug mit den zahlreichen Schutzfunktionen, öffnete die erste Schleusentür und verschloss sie wieder, dann die zweite, machte schließlich die letzte Tür auf, jene, die ins Leere führte, streckte den Arm aus und ließ einige hundert Meter über der Wasseroberfläche den von Alec entworfenen Ätherisierungszylinder Nr. 8 fallen, der wohl oder übel genau in die Mitte jener Masse eindrang, die er zerstören sollte.
    Der schwere schwarze Stift versank pfeifend ins Meer.
    Zwölf Sekunden später war Opera 2 in Operas Schoß zurückgekehrt.
    »Die Operation muss, sie muss gelingen!«, sagte sich Axel, während er auf die vertrauensvolle Clara zuschritt, die sich ausihrem Sessel, dem erholsamsten Sessel der Welt, erhob, und ihm entgegenging. Für sie musste es gelingen – leider war das Gelingen nicht mehr allein von ihm abhängig: Ob er mit seiner Intuition richtig lag oder nicht, würde sich schon bald herausstellen. Sobald Nomens vitales Zentrum getroffen wäre (sofern es denn ein »vitales Zentrum« gab, wie sich aus Axels Postulat und der komplexen Kette an Schlussfolgerungen ergeben hatte), würde der Planet Nomen die Raumkapsel Opera freigeben, die darauf hin behände wie ein Tier, dessen Leben auf dem Spiel steht, entflöhe. Ja, aber rechtzeitig bevor die heftigen und unvorhersehbaren Folgen der Explosion sie daran hindern würden? Würde Opera sich außer Reichweite dieser Folgen befinden? Dies war die zweite Frage, die zweite Quelle der Sorge, die Axels blauen Blick verfinsterte, obwohl er sich bemühte, Clara um jeden Preis zu beruhigen.
    »In einer Minute werden wir fort sein«, sagte er.
    Er nahm die junge Frau bei der Hand, ließ sie wie in einem Tanz um die eigene Achse drehen und brachte sie schließlich mit dem Rücken zum Bildschirm zum Stehen, während Axel im Gegenteil alle Muße hatte, die Bilder eingehend zu betrachten.
    Er flüsterte Axel 2 einen Befehl zu. Axel 2 übertrug diesen Befehl umgehend auf Alecs Nr. 8, der mit seiner Ladung hochkonzentriertem Uranoxid (und vor allem mit seinen drei Prozent der reinen Rearchusil-Flüssigkeit) im Schoß von Nomen lauerte.
    Es verging eine Minute.
    Und die Explosion fand statt – die Explosion fand statt, und – oh Wunder, totaler Erfolg! –, genau in dem Moment, als Nr. 8 die zweitausend Milliarden Milliarden Tonnen von Nomen erschütterte, durchrüttelte, in Fetzen riss – »genau in dem Moment«: nein, zwei Sekunden später, zwei Sekunden, in denen die Seele, das Hirn, der Geist, das Herz des Planeten starben! –, nach diesen zwei Sekunden konnte Opera sich wieder in die Höhen des Himmels aufschwingen.
    »Gerettet!«, rief Axel Clara zu.
    Er schloss seine angebetete Passagierin in die Arme, die unersetzliche Probe, die den zwölf geforderten Kriterien für die Rettung der sterbenden Renata entsprach und die er dennoch so weit wie möglich von Renata fortbrachte, ans andere Ende des

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