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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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weil er reich war und um sein Gewissen zu beruhigen, und wohl auch um Mathildes Kummer unter Geldscheinen zu ersticken – ein Kummer, der im Übrigen nicht groß war, wie sie durchscheinen ließ, denn sie hatte recht bald begriffen, dass sie als junge, unerfahrene Frau, die vor der Heirat noch keine Männer kennengelernt hatte, die falsche Wahl getroffen hatte.
    Ich schlief bei ihr.
    Die Natürlichkeit, die diese Frau an den Tag legte, obwohl sie meines Erachtens seit ihrer Scheidung immer noch keine Männer kennen gelernt hatte, war rührend. Wie konnte man eine solche Frau verlassen (ich meinte damit ihren Ehemann) und für wen? Aber ich glaube festgestellt zu haben, dass Männer häufig ihre Partnerinnen für eine andere verlassen, die der ersten nicht das Wasser reichen kann.
    Ich hatte die Begabung, eine Frau spüren zu lassen (immer vorausgesetzt, dass ich ihr gefiel), dass sie in mir den Mann ihres Lebens – und ich in ihr die Frau meines Lebens gefunden hatte. Muss ich hinzufügen, dass hinter dieser Haltung kein Kalkül, kein Zynismus steckte, und ich mich ganz ungewollt so verhielt? Und ich betrachte es ja selbst als lächerlich, wenn ich Männer kritisiere, die sich von ihrer Frau oder Gefährtin trennen, während ich in dem Moment, in dem ich mir bei einer Frau sagte, ich werde sie für alle Ewigkeit lieben, in dem ich mir sagte, endlich bin ich gerettet, just in dem Moment die Frau schon wieder verließ und allein blieb, wie immer, auch wenn ich mich bemühte, die glücklichen Erinnerungen, die mir durch den Kopf schwirrten, ja nicht entfliehen zu lassen, so wie man vergeblich versucht, die Bilder eines Traums festzuhalten.
    Als ich am Morgen des 12. zu mir nach Hause zurückkehrte, kam ich an einer winzigen Buchhandlung am Boulevard Voltaire vorbei, an der Buchhandlung Christian Fostot. Ich entdeckte sie fast durch Zufall, so klein war sie, »seltene und antike Bücher« stand auf dem Schaufenster. Ich erzählte dem alten wortkargen Verkäufer von meiner bisher glücklosen Suche und sagte ihm sogar die vier Verse auf. Stumm und mit verschworenem Blick deutete er auf ein dickes, staubiges Buch im Regal – in dem ich vergeblich blätterte. Dieser Christian Fostot hatte falsche Hoffnungen in mir geweckt. Er hob nicht einmal den Kopf, als ich ihm dankte und seinen Laden verließ.

K APITEL 7
CLARA KOMMT ZUR WELT
    Ich kenne keine andere Gnade als jene, geboren zu sein
.
Isidore Ducasse,
Dichtungen II
    Der Mutter erzähle nichts von dem Erscheinen
des gräßlichen Unholds – Grüße meine liebe holde Clara,
ich schreibe ihr in ruhigerer Gemütsstimmung
.
E.T.A. Hoffmann,
Der Sandmann

Drei wichtige Ereignisse prägten die Jahre 1977 und 1978.
    Sylvie heiratete Maurice Duplat, einen äußerst produktiven (und erfolgreichen) Science-Fiction-Autor, der unter fremdartig klingenden Pseudonymen veröffentlichte (Mikhaïl Mariashkov, Donato Perdifo, Robin Bergeling, um nur diese drei zu nennen) und ein nicht gerade uneitles Vergnügen daraus zog, sowohl berühmt als auch unbekannt zu sein – der als Milliardär Geborene war gerissen und sympathisch zugleich, er vergötterte Sylvie, den Kindern gefiel er jedoch nicht. Michel hatte ihm nicht viel zu sagen (insbesondere nach der Lektüre von zwei seiner Bücher,
Die XYZ überfallen die Erde
und
Das Jenseits ist hier
). Auch Lucie bekam rasch genug von seinem ständigen Geschwätz und mondänen Geprahle, ich bin dem und dem begegnet, aber jetzt passen Sie auf, nicht irgendwo, sondern raten Sie mal? An dem Ort! Und er ist auf mich zugekommen, um mir die Hand zu schütteln, und so weiter. Er war ein paar Jahre jünger als Sylvie. Er bewunderte ihre Lebhaftigkeit, ihre Autorität. Sylvie war sich über gewisse Unzulänglichkeiten ihres Geliebten durchaus im Klaren, aber sie brauchte die Zuneigung, die er ihr in diesem Lebensabschnitt schenkte – außerdem war sie gerührt von dem körperlichen Verlangen, das er, gleich einem jungen Liebhaber, für sie empfand.
    1977, eine Woche vor Weihnachten, wurde auf einer Autobahn in der Nähe von Madrid ein Mann wegen überhöhter Geschwindigkeit angehalten. Er saß am Steuer des Wagens derNomens. Zufälligerweise hatte sich der ältere Polizist, der sie kontrollierte, an ein schwedisches Auto erinnern können, das elf Jahre zuvor auf mysteriöse Weise verschwunden und dessen Beschreibung an alle Kommissariate des Landes weitergeleitet worden war. Er teilte seinen Verdacht seinem Vorgesetzten mit. Tatsächlich handelte es sich

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