Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
Du weißt ja
mittlerweile wo alles steht.“
Ich
spürte, dass ich mich unbedingt wieder setzen musste. Ich hatte ganz zittrige,
weiche Knie. Angela hantierte in der Küche herum und ich saß zusammengesunken
auf meiner Couch. Wenn ich die Situation recht betrachtete, dann hatte mir
dieser Vorfall regelrecht den Boden unter den Füßen weg gerissen. So etwas
hätte ich mir nie vorstellen können.
Angela
kam ins Wohnzimmer und balancierte zwei Tassen mit einer dampfenden Flüssigkeit
bis zum Couchtisch.
„Ich habe
uns beiden einen Pfefferminztee gekocht. Warte, ich habe auch eine Scheibe
Toast mit dünner Marmelade bestrichen. So etwas rutsch immer, und Zucker möbelt
auch ganz schön auf.“
Sie war
in die Küche gegangen und kam mit einem Dessertteller und der Scheibe Toast
zurück.
„Danke,
Angela. Ich mag zwar eigentlich gar nichts essen, aber dir zuliebe werde ich es
mal probieren. Vielleicht kriege ich ja ein paar Bissen runter.“
Ich biss
eine kleine Ecke vom Toast ab und kaute langsam. Noch immer hatte ich keinen
Geschmack. Aber wenigstens erzeugte der Toast keine Übelkeit, was schon ein
kleiner Erfolg war. Der Tee tat mir sehr gut und belebte mich.
„Sag mal
Angela, glaubst du an Schicksal oder sogar an selbst herbeigeführtes Unglück?
Was ich sagen will ist, dass ich über 20 Jahre in der Großstadt Köln gewohnt
habe und außer zwei Situationen, die ein klein wenig brenzlig waren, habe ich
mich niemals so bedroht gefühlt wie hier. Da denkt man, man zieht aufs Land, da
ist das Leben noch in Ordnung und dann so etwas. Und mit dem selbst
herbeigeführten Unglück meine ich, dass ich mir nie hätte vorstellen können in
Erftstadt zu wohnen. Eigentlich wollte ich nie woanders wohnen als in Köln und
es hat sich in mir alles gesträubt bei der Vorstellung von dort weg zu ziehen.
Aber nachdem ich Amelie entdeckt hatte, da hatte ich hatte nur noch im Kopf,
eine Wohnung möglichst im Grünen zu finden wo ich zusammen mit dem Hund wohnen konnte.
Ganz egal wo. Und als ich dann diese gefunden hatte, da war ich nur glücklich
und habe keinen Gedanken mehr daran verschwendet, dass ich aus Köln wegziehe.
Aber in den letzten Monaten ist so viel Schlimmes passiert. Also, ich meine die
Morde an den beiden Frauen, aber ich meine auch den Spanner von gegenüber und
dann der Überfall am Freitagabend. Und auch wenn ich noch lebe, und ich
körperlich unversehrt geblieben bin, habe ich doch ein Gefühl von roher Gewalt
erlebt. Weißt du, als ich nach der Chloroformbetäubung wieder wach geworden
bin, konnte ich mich erst gar nicht erinnern, was alles passiert ist.
Mittlerweile ist die Erinnerung zurückgekommen. Bei dem Gedanken, wie er mich
plötzlich umklammerte, und ich dieses feuchte Tuch spürte und gleichzeitig sein
ekeliger Schweißgeruch mir in die Nase stach – da hatte ich Todesangst. Glaub
mir.“
Angela
hatte sich zu mir auf die Couch gesetzt und mich in den Arm genommen. Ich
begann wieder zu weinen.
„Und dann
heule ich auch noch dauernd. Hört denn das nie auf“, schluchzte ich.
„Schhhhh,
versuch diesen Gedanken aus deinem Kopf zu verbannen. Ich weiß wie du dich
fühlst. Glaub mir, nachdem was ich erlebt habe, nimm es mir nicht übel,
Vergleiche sind immer ungerecht, aber mein Peiniger hat mich gewürgt, das war
die Hölle und die Panikattacken, die Schweißausbrüche und die Alpträume nachts
werde ich bestimmt so schnell nicht los werden. Wenn ich nicht die nette Frau
Dr. Windmüller hätte, ich weiß gar nicht ob ich überhaupt noch leben würde.
Aber auch mit Hilfe von Frau Dr. Windmüller und ihren wunderbaren Pillen, die
mir helfen sollen wieder in das normale Leben zurückzufinden, wird es noch ein
langer Weg sein, bis ich wieder angstfrei leben kann“, stotterte Angela
bedrückt. „Ich wünschte, ich wüsste ob ich überhaupt noch einmal normal leben
kann. Und was deine Grübelei über selbst herbeigeführtes Unglück betrifft, bin
ich kein Experte, aber ich glaube nicht daran. Denn überleg mal, wenn du
Momente des vollen Glücks erlebst, fragst du dich dann auch, ob du dieses Glück
selber herbeigeführt hast? Glück nimmt man wie selbstverständlich hin. Bei
Unglück kommt man ins Grübeln und man sucht Gründe dafür oder so wie du, du
fragst dich, ob du Schuld daran hast. Ich sage nur, nein, hast du sicher nicht.
Unglück gehört genau so zum Leben wie Glück – nur warum das Leben ein ständiges
Auf und Ab ist – keine Ahnung.“
„Ja,
wahrscheinlich hast du Recht. Auch
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