Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
geworden
waren, berichtete ich ihm davon, wie ich wach geworden war, dass ich zuerst gar
nicht so sehr beunruhigt war als ich das andere Auto brennen sah. Als mir die
Polizistin aber mitteilte, dass mein Auto schon gebrannt hatte konnte ich mich
nicht mehr halten.
„Und
weißt du, das ist ja nicht alles. Vorgestern, also am Freitagabend, da war ich
mit meinem Auto unterwegs, ich musste anhalten, weil der Motor ausgegangen war
und dann bin ich da am Straßenrand überfallen worden. Ich war zwar nicht
verletzt, aber der Typ, der mich überfallen hat, hat mich mit Chloroform
betäubt. Ist das nicht schrecklich. Ich konnte den Typ zwar nicht eindeutig
erkennen, aber ich vermute ganz stark, dass es der Scheißnachbar von Gegenüber
ist. Seit einiger Zeit schreibt er mir ekelhafte Briefchen und beobachtet mich
ständig. Und mittlerweile begnügt er sich offenbar nicht mehr mit
Beobachtungen, jetzt ist er ganz offensichtlich zum direkten Angriff
übergegangen. Aber kapierst du, warum er mich nur betäubt hat? Ich weiß es
nicht. Vielleicht ist das eines seiner perversen Machtspielchen. Ich glaube ich
werde noch verrückt.“
„Das hört
sich wirklich alles ganz schrecklich an. Was sagt denn die Polizei dazu?“
„Ach,
die. Die tun überhaupt nichts. Ich habe eben der Polizistin gesagt, dass sie
doch mal sofort bei ihm gegenüber klingeln sollen, um ihn zu fragen, was er
denn so die ganze Nacht gemacht hat. Aber sie sagte mir, dass das nicht ginge.
Weißt du, mich kotzt das langsam an, niemand hat mehr Zivilcourage, noch nicht
einmal die Polizei. Er hat doch jetzt, wo man ihn zumindest für heute Nacht in
Ruhe lässt, die allerbeste Gelegenheit, alles beiseite zu schaffen, womit man
ihn überführen könnte. Vielleicht könnte man an seinen Händen oder an der
Kleidung Rußspuren finden, aber nein, nichts passiert. Nee, nee, die Polizei
hilft mir nicht. Weißt du, mein Ex ist Kripobeamter, der hat sich am Samstag
sehr um mich gekümmert. Aber er sagt, so lange ich es nicht zu 100 Prozent
weiß, dass es der Nachbar von gegenüber war, der mich überfallen hat, kann die
Kripo gar nichts machen. Es heißt immer, Vorsicht hätte Vorrang und vielleicht
käme ich selbst mal in eine Situation, in der mich jemand anfeindet und dann
wäre ich sicher froh, wenn die Kripo mich nicht sofort verhaften würde. Das
musst du dir bitte mal vorstellen. Soll mich das etwa beruhigen? Es geht doch
nicht darum, dass ich mich mal irgendwann wegen irgendetwas verantworten
müsste, es geht doch um das Hier und Jetzt. Wenn meine Annahme falsch ist, dann
gibt es sicherlich auch eine Möglichkeit, das dem unschuldigen Menschen mit
einer förmlichen Entschuldigung plausibel zu machen, aber dann könnte man ihn
wenigstens ausschließen als Verdächtigen. Ich kapier das alles nicht mehr.“
„Also ich
habe von diesen Dingen gar keine Ahnung, habe mich bisher auch noch nicht damit
beschäftigt. Aber vermutlich haben beide Seiten Recht. Ich kann dich verstehen,
dass du sofort etwas unternehmen willst, aber ich kann auch die Polizistin
verstehen. Die hat Vorgesetzte und hat vermutlich keine Lust, sich wegen dir in
irgendwelche Nesseln zu setzten“, erklärte Michael. „Der Vorgesetzte würde ihr
gehörig die Ohren lang ziehen. Also verstehen kann ich das schon. Was willst
du denn jetzt tun?“
„Keine
Ahnung. Aber ist das nicht alles super gemein? Egal wie oft ich sage, dass man
sich mal den Kerl von Gegenüber genauer ansehen soll, es passiert einfach
nichts. Manchmal habe ich schon das Gefühl, dass das Gesetz auf der Seite der
Verbrecher ist. Junkies bekommen Drogen auf Rezept, Eltern, die mit der
Erziehung ihrer Kinder überfordert sind bekommen eine Haushaltshilfe und einen
Berater, gewalttätige Jugendliche bekommen ein Anti-Aggressionstraining, einen
Berater oder einen Therapeuten. Was bekommen unbescholtene Menschen, die in Not
geraten? Was bekommt ein Opfer? Opfer gehen leer aus und es kümmert einfach
keinen Menschen.“
Ich hatte
mich richtig in Rage geredet und kochte vor Wut.
Michael
stand von seiner Couch auf, setzte sich neben mich und nahm mich in den Arm.
„Komm mal
her, du darfst jetzt einfach nicht verzweifeln. Ich weiß, das ist alles
leichter gesagt als getan, aber ruf doch morgen erst einmal deine Versicherung
an. Vielleicht kannst du ja finanziell dabei noch eine Kleinigkeit rausholen.
Du bist doch versichert, oder?“
„Also ich
habe nur eine Haftpflichtversicherung, wenn du das meinst. Eine Teil-
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