Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
trotz ihrer Sorge um
ihre Figur wahrscheinlich auch nicht nein sagen können.
Ich nahm meinen Schlüssel und
verließ die Wohnung. Die Wohnungstür lehnte ich dabei nur an, zog aber die Haustür
fest hinter mir zu. In der Dunkelheit Haustüren offen stehen zu lassen, war
keine gute Idee.
Ich ging zu meinem Auto unter
dem Carport. Ich schaute aus Gewohnheit die Straße hinunter und stutzte. In
etwa 50 m Entfernung standen zwei Parkbänke mit einer Kinderwippe. Diese
Parkbänke hatten Jugendliche zu ihrem Treffpunkt gemacht, so dass besonders
abends oftmals noch hochfrisierte Mopeds mit einem Höllenlärm die Straße
unsicher machten. Die Jungs versuchten den Mädels damit zu imponieren. Heute
Abend aber war es still und ich konnte erkennen, dass zwei Mädchen mit engen
Kapuzen-Anoraks auf einer der Bänke saßen, wobei sie die Rückenlehnen als
Sitzfläche benutzten. Warteten sie noch auf die Jungs? Sie saßen dort ganz
still, ihre Gesichter konnte ich nicht erkennen – vielleicht warteten sie auch
gar nicht, sondern waren nur froh, der häuslichen Enge auf der Parkbank zu
entgehen. Diese beiden Mädchen waren es aber nicht, die mich stutzen ließen. Es
war anfangs mehr eine Ahnung, denn die Straße war schlecht beleuchtet. Die
beiden Mädchen waren ganz gut zu erkennen, da die Bänke im Licht einer
Straßenlaterne standen. Es war eher wie ein Blatt, das im Gebüsch durch einen
Windhauch plötzlich zu Boden trudelt. Eine Bewegung, die unvermittelt entsteht
und mit der man nicht rechnet. Eine solche Bewegung hatte ich auf der anderen
Straßenseite bemerkt. Mein Herz schlug hart gegen die Brust. Ich ging ein paar
Schritte in Richtung der zwei Mädchen und versuchte angestrengt mit meinen
Augen das Dunkel der Nacht zu durchdringen. Da – ein Mann mit einem langen
Mantel und einer Wollmütze drückte sich im Schatten der Hauswände herum. Mein
Instinkt erfasste die Situation sofort. Es war kein Hundebesitzer und auch kein
harmloser Heimkehrer, der vom Bahnhof aus in Richtung Heimat unterwegs war. Das
Erscheinungsbild mit dem langen Mantel und der Mütze kam mir unheimlich vor.
Der Mann interessierte sich offenkundig für die beiden Mädchen und hatte mich
noch nicht bemerkt. Die Hände in den Manteltaschen, den Mantel mit den
versteckten Händen vorne zuhaltend, ging er vorsichtig aber doch zielstrebig an
der Häuserreihe entlang, weiter in Richtung der beiden Mädchen. Die Situation
war so unwirklich wie elektrisierend und Paranoia erwachte in mir. Ich ging mit
großen Schritten ebenfalls die Straße hinunter in Richtung der Bänke und war
noch gut zehn bis fünfzehn Meter von dem Mann entfernt, der sich immer noch auf
der anderen Straßenseite befand. Er schaute ganz unverhohlen zu den Mädchen.
Was war hier los, was hatte er vor? Etwas Unheimliches lag in der Luft. Ich
ging langsam näher, nahm mein Handy aus der Jackentasche und schaltete es ein.
Durch das Piepgeräusch der aufgehobenen Tastensperre registrierte der Mann mich
nun endlich, sah erschrocken auf und beschleunigte hektisch seine Schritte, um
nach einigen Metern im Dunkel der Nacht zu verschwinden. Obwohl der Mann mich
erschrocken angesehen hatte, hatte sein Gesicht im Schatten gelegen.
Ich steckte mein Handy wieder
in die Tasche und ging zurück. Ich wollte doch die Pralinen aus dem Auto holen.
Das Herzklopfen spürte ich immer noch, was die beiden Mädchen noch nicht einmal
ahnten. Aber Hauptsache war, dass ihnen nichts geschehen war.
Wo war ich hier nur hingeraten,
grübelte ich erneut. Plötzlich – so ein Mist, Mist, Mist – die Pizza – die
hatte ich total vergessen. Ich rannte zum Auto öffnete es, schnappte mir die
Pralinen, warf die Autotür zu und verschloss das Auto wieder. Wahrscheinlich
war die Pizza mittlerweile völlig verkohlt. Wie lange war ich denn hier
draußen, es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Im Laufschritt kam ich in die
Wohnung, ein Glück, verbrannt roch es nicht. Der Schlüssel mitsamt den Pralinen
landete im hohen Bogen auf dem Küchentisch. Ich nahm meine Grillhandschuhe und
öffnete die Ofentür. Hellgraue Rauchschwaden kamen mir entgegen, aber nachdem
die Schwaden abgezogen waren, konnte ich erkennen, dass die Pizza gerade noch
zu retten war. Die Szene auf der Straße hatte gut zehn Minuten gedauert. Eine
Minute länger und ich hätte mein Abendessen in den Müll werfen können.
Nachdem ich die Pizza auf das
Rost hatte rutschen lassen, ging ich erst einmal zum Kühlschrank und goss mir
ein Glas Rosé ein. Ich war
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