Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
ich von meiner Bekannten gesprochen hatte, war es einfach
gewesen, die Sache zu erwähnen. Von mir, als Betroffene hätte ich nicht
sprechen können und ganz gelogen war es ja nicht, im Gegenteil, die Geschichte
enthielt alle Details, die mich betrafen. Das musste für den Moment reichen.
„Schrecklich, so etwas. Ich
kann mir das gar nicht vorstellen. Ich glaube, als erstes würde ich zur Polizei
gehen und so einen Typen anzeigen. Dann würde der das bestimmt nie wieder
machen.“
„Ich weiß nicht, was man solch
einer Frau raten sollte. Die Polizei würde die Frau vermutlich wieder nach
Hause schicken, denn hier in Deutschland gilt die so genannte
„Unschuldsvermutung“. Wenn du keine Zeugen hast, dass du verfolgt wirst oder
windelweich und blitzeblau geschlagen worden bist, dann hast du in unserem
Rechtssystem ganz schlechte Karten. Komm, lass uns über etwas anderes sprechen,
zum Beispiel, wann du deine Abschiedsfete feiern willst. Kneifen gilt nicht,
das ist dir ja wohl hoffentlich klar.“ Ich versuchte mit einem Augenzwinkern,
die aufgekommene düstere Stimmung zu vertreiben.
„Da habe ich noch gar nicht
dran gedacht. Echt nicht. Aber ich werde vorher bestimmt eine Fete steigen
lassen. Ich lade dich hiermit als meinen ersten Gast offiziell ein.“
„Danke schön, ich muss aber nun
leider wieder los. Ich lade dich ein.“
Ich winkte Nanni und gab ihm
ein Zeichen, dass ich bezahlen wollte.
„Ich komme gleich Kinder und
mache euch fertig. Einen Moment.“
Typisch Nanni!
Kurz darauf kam Nanni an
unseren Tisch und brachte die Rechnung.
„Hat es euch geschmeckt? Was
macht ihr beiden Hübschen denn jetzt noch? Ich wette ihr geht shoppen.“
„Schön wär’s. Ich muss leider
wieder arbeiten. Also mal wieder keine Zeit. Und geschmeckt hat es wie immer –
extrem lecker.“
Ich legte ihm das Geld auf den
Tisch. Sabine und ich nahmen unsere Jacken und schlenderten zum Ausgang.
„Tschüss Nanni, mach’s gut“,
rief ich ihm in Richtung Küche zu.
„Tschüss ihr Zwei. Bis bald“,
rief Nanni aus der Küche zurück.
„Kann ich dich noch ein Stück
mitnehmen, oder hast du noch etwas anderes vor?“, fragte ich Sabine.
„Vielen Dank, aber ich wollte
noch auf die Dürener Straße, wegen ein Paar Schuhen.“
„Aha, also doch shoppen. Hat
Nanni doch Recht gehabt. Ich wünschte, ich könnte dich begleiten. So, lass dich
noch mal drücken und halte mich unbedingt auf dem Laufenden, wenn es etwas
Neues gibt von der Charité. Mach’s gut.“
„Warte mal, Susanne, wie sieht
es denn mit dem Wochenende aus? Soll ich kommen wegen Amelie?“
„Lieb von dir. Aber ich habe
das ganze Wochenende frei, und ich werde mit Amelie wandern, wenn Petrus da
mitspielt. Aber wir können am Wochenende mal telefonieren. Was hältst du
davon?“
„Ja, ist gut. Bis dann.“
Ich stieg in mein Auto und
Sabine ging in Richtung Dürener Straße. Sie drehte sich noch einmal um und
winkte mir zu. Sabine war zu einer selbstbewussten jungen Frau und einer guten
Freundin geworden. Wie doch die Zeit verging. Ich hatte sie direkt nach ihrer
Geburt auf dem Arm gehalten – ein hübsches kleines Mädchen. Die Ärzte hatten
meiner Schwester mitgeteilt, dass aufgrund der falschen Lage nur ein
Kaiserschnitt möglich war. Und dieser Schnitt hatte ein ganz glattes rosiges
Baby zum Vorschein gebracht. Ich hatte mich sofort in dieses kleine Bündel
verliebt.
Zurück der Klinik, teilte mir
Jessica mit, dass sich Frau Schneider für eine Operation ihrer drei gerissen
Bänder entschieden hatte. Die Operation würde morgen durchgeführt werden, für
heute war es bereits zu spät. Es mussten erste Voruntersuchungen und ein
Gespräch mit dem Anästhesisten geführt werden.
Der Rest des Nachmittags
verlief relativ ruhig, so dass ich pünktlich um halb fünf die Klinik verlassen
konnte. Kaum saß ich im Auto, überfielen mich wieder die Gedanken an den
Vorfall von heute morgen. Hoffentlich war Angela heute Abend zu Hause. Ich
brauchte dringend jemanden, mit dem ich ganz offen reden konnte. Außerdem
wollte ich auch wissen, ob sie diese Unterschriftenaktion schon durchgeführt
hatte. Im Stillen fragte ich mich immer wieder, ob es wirklich dieser Nachbar
war, der mir diese Briefe schrieb. Ich hatte mich immer auf meine
Menschenkenntnis verlassen können und überlegte nun, ob die Alarmglocken
deshalb so heftig schrillten, weil er etwas im Schilde führte. Oder war ich
durch die Briefe so durcheinander geraten, dass meine Nerven einfach nur
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