Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
Bella“, sagte er zu mir
und gab mir einen Kuss auf die rechte Wange.
„Hast du deine Tochter
mitgebracht?“
Nanni, der Scherzkeks.
„Ciao, Nanni, schön dich mal
wieder zu sehen.“
„Ihr beiden wollt zwei Plätze
haben. Eine Minute, da hinten ist eben ein Tisch frei geworden, ich werde den
Platz für euch Zwei bohnern. Uno minuto, per favore.“
Es war immer ein Erlebnis,
Nanni in Aktion zu erleben. Trotz seiner gewissen Leibesfülle war er flink wie
ein Wiesel.
Es dauerte nicht lange, da
saßen wir am Tisch und suchten unser Essen aus. Ich brauchte keine Karte, da
ich fast immer das gleiche aß. Paglia i Fieno – Heu und Stroh. Keiner
konnte das Nudelgericht so gut zubereiten wie Nanni. Sabine entschied sich für
Pizza Funghi.
„So, nun erzähl schon. Ich bin
gespannt wie ein Flitzebogen.“
„Also, halt dich fest. Im
Sommer hatte ich im Internet gelesen, dass man sich im Rahmen seines
Medizinstudiums, für ein Praktikum an der Charité in Berlin bewerben konnte.
Ich habe da mal hingeschrieben, eigentlich ohne große Hoffnung, aber ich habe
heute die Zusage bekommen. Es geht erst einmal um dreieinhalb Monate. Von
Januar bis Mitte April, also bis Ostern. Verpflegung und Unterkunft gibt es im
Schwesternheim und man bekommt monatlich ein kleines Taschengeld. Cool, was?
Ich musste es unbedingt jemandem erzählen. Sven habe ich versucht zu erreichen,
aber der hat sein Handy ausgeschaltet und dann bin ich kurzerhand zu dir in die
Klinik gegangen. Das Ganze beginnt also schon in sechs Wochen. Ich bin so
aufgeregt, ich glaube, ich kann gar nichts essen.“
„Ich bin echt begeistert. Das
klingt super. Ich wünschte, solche Art von Praktiken hätte es schon gegeben,
als ich studiert habe. Die einzige Möglichkeit, die man damals hatte, war für
eine bestimmte Zeit ins Ausland zu gehen. Auch nicht schlecht, aber die
Organisation war erheblich schwieriger, Unterkunft und Verpflegung musste man
selber suchen und die Bezahlung war auch nicht gerade erquickend. Toll, Sabine,
ich bin echt stolz auf dich und freue mich riesig. Komm, lass uns mit unserem
Gänsewein anstoßen.“
Wir nahmen unsere Gläser
Mineralwasser und stießen an. Es dauerte nicht mehrlange, bis unser Essen kam.
„Guten Appetit“, wünschte ich
Sabine.
„Ebenfalls.“
Paglia i Fieno war wie immer
eine Wonne, die Nudeln in einer zarten Käse-Sahnesoße mit Champignons – echt
lecker. Auch Sabine hatte ihren Appetit wiedergefunden.
„Und, wie geht es dir so? Wie
geht es Amelie?“
„Ach ja, es geht so. In der
Klinik das Übliche und Amelie geht es gut. Ich werde sie von dir grüßen.“
„Ja, tu das. Kraul die Süße mal
von mir hinterm Ohr.“
„Mache ich, wenn ich sie heute
Nachmittag von den Schröders abhole.“
Von meinen Problemen heute
morgen, von den handgeschriebenen Zetteln und meiner Befürchtung von einem
Nachbar beobachtet zu werden, erzählte ich nichts. Es lag nicht nur daran, weil
ich Sabine schützen wollte, sondern, es lag auch daran, dass ich selber noch
gar nicht die richtigen Worte gefunden hatte. Die Wut darüber tobte in meinem
Kopf und ich konnte mit Sabine einfach nicht darüber sprechen.
Ich empfand diese Zettel und
auch die vermeintliche Beobachtung als eine echte Bedrohung. Ein Umstand, der,
obwohl er neu für mich war, schon meine gesamte Gedankenwelt beherrschte. Was
ging in so einem Menschen vor? Ging es solch einem Typen um Macht über andere,
um schlichten Zeitvertreib oder geilte sich der Mann etwa auf? Aber wenn dem so
war, woran geilte er sich auf. Wenn ihm die simple Fantasie reichte, wozu
brauchte er dann mich. Er konnte sich an jedem Kiosk Hochglanzlektüre besorgen
und konnte dann damit machen, was immer er wollte. Warum ich?
„Hallooooo, bist du noch da? Du
träumst ja. Komm erzähl schon.“ Sabine ließ mich aus meinen verzweifelten
Gedanken hochschrecken.
„Entschuldige bitte, ich dachte
an eine Sache, die mir Angela, neulich erzählt hatte. Du kennst sie, die
Nachbarin. Scheußliche Sache. Da ist eine Frau von einem Mann verfolgt worden,
man konnte ihm aber letztendlich nie etwas nachweisen, weil sie zwar Anrufe
bekommen hatte und auch Briefe, aber bei den Anrufen meldete sich niemand und
die Briefe waren immer ohne Unterschrift und Absender. Im Prinzip ist so eine
Verfolgung eine Form von Gewalt, die man kaum oder gar nicht bekämpfen kann.
Schrecklich, ich muss Angela noch mal fragen, ob sie weiß, wie die Sache
weitergegangen ist.“
Ich beließ es bei dieser
Version. Indem
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