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Gesichter der Nacht

Gesichter der Nacht

Titel: Gesichter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Gott, das ist eine lange Zeit. Sie hatten es sicherlich
schwer. Ich habe gehört, daß es in den chinesischen Lagern
ziemlich rauh zugegangen ist.«
      Marlowe zuckte die Achseln. »Weiß ich
nicht. Ich war nicht im Lager. Mich haben Sie in eine Kohlengrube in
der Mandschurei gesteckt.«
      Magellans Augen wurden schmaler, und sein
Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Von diesen Kohlengruben
habe ich auch gehört.« Er schwieg eine Weile. Dann grinste
er und klopfte Marlowe auf die Schulter. »Aber das ist alles
Vergangenheit. Und vielleicht gar nicht das Schlechteste für einen
Mann. So, als würde er durchs Feuer gehen. Eine Art
Läuterung.«
      Marlowe lachte heiser. »Auf so eine Art Läuterung kann ich verzichten.«
      Maria klebte den Verband mit Heftpflaster fest und
sagte ruhig: »Papa weiß, wovon er redet. Er ist selbst
durch dieses Feuer gegangen. Er hat im Spanischen Bürgerkrieg bei
der Internationalen Brigade gekämpft. Die Faschisten haben ihn
zwei Jahre eingekerkert.«
    Der alte Mann zog ausdrucksvoll die
Schultern hoch und hob protestierend die Hand. »Warum sollen wir
von diesen Dingen reden? Das ist alles vorbei. Alte Geschichte. Wir
leben in der Gegenwart. Das Leben ist oft unerfreulich und immer
ungerecht. Der Weise verbucht das alles unter der Rubrik Erfahrung und
tut sein Bestes.«
      Er stand lächelnd da, die Hände in den
Hosentaschen, und blickte die beiden an. Maria sagte:
»Fertig.«
      Marlowe stand auf und krempelte seinen zerfetzten
Hemdsärmel herunter. »Ich gehe jetzt«, sagte er.
»Wann fährt dieser Bus?«
      Ein Stirnrunzeln trat an die Stelle von Magellans Lächeln. »Gehen? Wohin denn?«
      »Nach Birmingham«, sagte Marlowe. »Ich hoffe, daß ich dort Arbeit kriege.«
      »Na, dann gehen Sie morgen nach
Birmingham«, sagte der alte Mann. »Heute nacht bleiben Sie
hier. Bei einem solchen Wetter jagt man nicht mal einen Hund auf die
Straße. Wofür halten Sie mich? Sie tauchen aus dem Nebel
auf, bewahren mich davor, daß ich verprügelt werde –
und dann meinen Sie, ich lasse Sie einfach sang- und klanglos
abziehen?« Er schnaubte entrüstet. »Maria, laß
ein heißes Bad für ihn einlaufen, und ich schaue, ob ich ein
sauberes Hemd für ihn finden kann.«
      Marlowe zögerte. Sein Instinkt sagte ihm, es sei
das beste zu gehen. Und zwar sofort. Bevor er sich mit diesen Leuten
auf irgend etwas einließ. Er sah Maria an. Sie schüttelte
lächelnd den Kopf. »Es hat keinen Sinn, Mr. Marlowe. Wenn
sich Papa eine Sache in den Kopf gesetzt hat, kann man nur zustimmen.
Auf diese Weise spart man viel Zeit.«
      Marlowe schaute aus dem Fenster ins Nebelbrauen und in
den Regen und dachte an das heiße Bad und an ein warmes Essen und
traf seine Entscheidung. »Ich ergebe mich«, sagte er.
»Bedingungslose Kapitulation.«
    Sie ging lächelnd aus dem Zimmer.
Der alte Mann zog eine Bruyèrepfeife aus der Tasche und stopfte
sie. »Maria hat mir ein bißchen von Ihnen erzählt, als
Sie mit Kennedy draußen waren«, sagte er. »Wenn ich
Sie recht verstanden habe, dann sind Sie Lastwagenfahrer, ja?«
    Marlowe zuckte die Achseln. »War ich mal.«
      Magellan rauchte geduldig seine Pfeife an.
»Diese Wunde am Arm«, sagte er. »Woher hatten Sie die
noch?«
      »Von einem abgebrochenen Haken an der Ladeklappe
eines Lasters«, antwortete Marlowe. »Warum?«
      Der alte Mann zog die Schultern hoch. »Oh,
nichts weiter«, sagte er. »Es ist nur so, daß ich
eine recht bewegte Jugend hatte und eine Stichwunde erkenne, wenn ich
eine sehe.«
      Marlowe erstarrte. Zorn regte sich in ihm. Er ballte
die Faust, trat einen Schritt vor, und der alte Mann holte ein
verbeultes Zigarettenetui aus seiner Jacke und klappte es auf.
»Rauchen Sie eine, mein Junge«, sagte er gelassen.
»Das beruhigt die Nerven.«
      Marlowe seufzte, öffnete die Faust. »Sie
haben zu gute Augen, Papa. Und deswegen werden Sie irgendwann mal
Probleme kriegen.«
      Der alte Mann zuckte die Achseln. »Ich hatte
schon jede Menge Probleme.« Er gab Marlowe Feuer. »Und Sie,
mein Junge?«
      Marlowe blickte in das kluge, humorvolle Gesicht
– es gefiel ihm. »Nichts, womit ich nicht fertig geworden
wäre, Papa.«
      Die Augen des alten Mannes wanderten kurz über
Marlowes massige Gestalt. »Das kann ich mir vorstellen. Sie
kriegt keiner so schnell unter, aber es gibt auch noch andere Probleme,
mit denen man nicht so leicht fertig wird.«
    Marlowe wölbte eine Braue empor.
»Meinen Sie die Justiz?« Er

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