Gesichter der Nacht
zuckte die Achseln und ging durch die Diele
zur Haustür zurück. Er stand einen Augenblick im Vorbau,
atmete die kühle Nachtluft. Und plötzlich klirrte Glas
– etwas war durchs Fenster in die Scheune geflogen.
Marlowe begann zu rennen. Hinter sich hörte er,
wie Maria erschreckt aufschrie. Als er sich der Scheune näherte,
spurteten drei Gestalten aus dem hellen Tor und verschwanden im Dunkel.
Marlowe verharrte einen Moment und warf einen Blick nach drinnen. Mac
lag neben dem Lastwagen auf dem Boden. Marlowe zögerte noch, da
zerriß das Dröhnen eines Motors die Stille. Einige Sekunden
später verhallte das Geräusch in der Ferne.
Marlowe rannte in die Scheune und kniete neben dem
Jamaikaner nieder. Blut sickerte über seine Schläfe, und als
Marlowe behutsam seinen Kopf abtastete, stieß er auf eine rasch
anschwellende Beule.
Maria ging neben ihm in die Hocke. »Ist alles in Ordnung mit ihm?« fragte sie ängstlich.
Marlowe nickte. »Ja. Es hat ihn nur jemand
bewußtlos geschlagen.« Er hob den Jamaikaner vom Boden auf
und trug ihn ins Haus. Er drückte die Wohnzimmertür mit dem
Fuß auf und bettete seine Last auf das altmodische Sofa.
Maria kniete neben Mac nieder und wusch
mit einem feuchten Tuch das Blut ab. Einen Moment später schlug er
ächzend die Augen auf. »Hallo, Mann«, sagte er zu
Marlowe. »Da hat mir aber jemand eins über den Schädel
gezogen.«
Marlowe nickte. »Was ist passiert?« wollte er wissen.
Mac versuchte sich aufzusetzen, und Maria schob ihn
vorsichtig auf das Sofa zurück. »Ich habe gerade eine Mutter
an der Motorhaube festgezogen, da hörte ich Schritte hinter
mir«, sagte er. »Als ich mich umgedreht habe, ging jemand
auf mich los. Ich habe angenommen, daß sie's auf die Lastwagen
abgesehen haben, also habe ich den Schraubenschlüssel, den ich in
der Hand hatte, durchs Fenster geworfen.«
»Gute Idee«, sagte Marlowe. »Das hat sie abgeschreckt, bevor sie was demolieren konnten.«
Mac versuchte wieder, sich aufzusetzen. »Ich muß mich auf den Weg machen«, sagte er.
Marlowe drückte ihn aufs Sofa zurück.
»Nichts da. In deinem Zustand kannst du keine zehn Kilometer
fahren.«
Er ging auf die Tür zu, und Mac fragte: »Aber was machen wir dann?«
Marlowe grinste. »Ich fahre.« Mac wollte
protestieren, aber Marlowe fügte hinzu: »Das ist die einzige
Möglichkeit. Keine Sorge. Niemand wird mich daran hindern, nach
London zu kommen.«
Er ging über den Hof und trat in die Scheune. Er
öffnete einen der Werkzeugschränke hinter der Arbeitsbank und
nahm die Schrotflinte heraus. Er klappte sie auf und
überprüfte die Läufe. Einwandfrei. Er machte die
Schachtel mit den Patronen auf und lud die Waffe. Dann steckte er noch
eine Handvoll Patronen in eine seiner Taschen und stellte die Schachtel
in den Schrank zurück.
Als er zum Lastwagen lief, kam Maria mit
einer Thermosflasche und einem Blechbehälter voll Sandwiches in
die Scheune. Sie sah die Flinte und wurde blaß. »Was willst
du damit?« fragte sie.
Er öffnete die Tür des Fahrerhauses und
legte die Waffe hinter die Sitzbank. »Das ist mein Trumpf im
Ärmel«, sagte er. »Wenn O'Connor und seine Leute
irgendwelchen Quatsch versuchen, werden sie feststellen müssen,
daß sie einen großen Fehler gemacht haben.«
Maria schüttelte den Kopf. »Gewehre –
das ist nichts Gutes«, sagte sie. »Wenn man erst damit
anfängt, wer weiß dann, wo es endet?«
Marlowe nahm die Thermosflasche und die Sandwiches
entgegen und verstaute sie unter dem Sitz. »Keine Bange«,
sagte er freundlich. »Ich werde niemand töten. Das tut nicht
not. Es ist verblüffend, wie schnell der Durchschnittsrowdy klein
und häßlich wird, wenn er plötzlich in die Mündung
eines Gewehrlaufs blickt.«
Er lächelte beruhigend und tätschelte Maria
die Wange. Dann stieg er ins Fahrerhaus, setzte sich hinters Lenkrad
und ließ den Motor an. Als er die Handbremse lockerte, kam Maria
näher und sagte verzweifelt: »Es tut mir leid, Hugh. Es tut
mir leid, wie ich dich heute behandelt habe.«
»Schon gut, mein Engel«, sagte er und gab
Gas. Das Dröhnen des Motors erfüllte die Scheune, und er
konnte nicht verstehen, was sie sagte. Er sah nur, wie sich ihr Mund
bewegte – beschwörend fast –, und er nickte und
lächelte und fuhr mit dem Lastwagen ins Dunkel hinaus.
Als er den Hügel nach Litton hinunterrollte,
fragte er sich, was sie ihm hatte sagen wollen. Und dann fielen ihm
Papa
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