Gesichter im Nebel (German Edition)
konnte. Das Durcheinander und der Schmutz im Inneren der Hütte waren unbeschreiblich. Ratten huschten eilends in Deckung, verschimmelte Brotreste lagen auf dem kleinen Tisch, alte Kartoffeln gaben ihren fauligen Geruch von sich, der sich mit anderen undefinierbaren Düften mischte. Maden krabbelten über Speisereste. Überall gammelte irgendwelcher Abfall vor sich hin, schmutzige Lappen lagen auf den altersschwachen Dielen herum. In ihrer Glanzzeit mochten sie wohl einmal so etwas wie Wäschestücke gewesen sein. Ein ekelerregender Kübel in der Ecke enthielt die Exkremente des Eigenbrötlers, der sich selbst für seine Notdurft kaum mehr vor die Tür traute.
Xirian schüttelt sich, angewidert von dem Gestank, während Paddle eilig den Riegel wieder vorschob. Am liebsten hätte sich der blinde Besucher die Nase zugehalten. Doch das verbot ihm seine hier eigentlich nicht angebrachte Höflichkeit.
„Was willst du von mir?“, fragte der Herr über all diesen Unrat mürrisch.
„Hör zu Mr. Paddle. Ich glaube, dass auf dieser Insel merkwürdige Dinge vor sich gehen, Dinge, zu denen du vielleicht einiges sagen kannst. Mir scheint, um es klar zu sagen, dass es, ganz gelinde ausgedrückt, auf Cape spukt!“
„Ha, was du nicht sagst! Spuk! Hast du das auch schon bemerkt? Ha, diese Teufel verfolgen mich. Ich gehe deswegen kaum mehr aus der Tür. Sie sind überall und grinsen mich an. Ja, so ist das. Sie haben es auf mich abgesehen! Du kannst es ja nicht sehen, aber ich habe außen über dem Eingang einen Spiegel angenagelt. Das vertragen sie nicht und so dringen sie hier nicht ein. Anscheinend können sie sich in einem Spiegel selbst sehen und erschrecken dann. Das habe ich durch Zufall herausgefunden und ich bin mächtig froh darüber, habe ich doch wenigstens im Haus meine Ruhe.“
Xirian nahm sofort diesen neuen und interessanten Hinweis auf. Wieder ein Mosaiksteinchen zum Verständnis der unsichtbaren Schattenwelt. Also mit Spiegeln konnte man sie fernhalten und anscheinend sogar schocken. Das musste er unbedingt Paddy erzählen.
„Aber das war doch nicht immer so bei dir. Was ist denn nur in den letzten Tagen geschehen? Seit du aus der Felsenkammer zurück bist, scheint für dich plötzlich alles anders zu sein! Bitte erzähl’ es mir. Ich brauche jeden auch noch so kleinen Hinweis, um vielleicht etwas dagegen unternehmen zu können.“
Paddle senkte seine Stimme zum Flüsterton und zog Xirian verschwörerisch weiter weg von der Tür.
„Sie waren überall rund um die Caves. Ich sah ihre bleichen Gesichter im Tang auf und ab schwingen. Sie grinsten mich an, manchmal warfen sie die meterlangen Seegrasarme nach mir und wollten mich zu sich hinunterziehen. Und eine schöne, aber böse Hexe mit rotem Haarschopf kam ganz nahe und zischte mir zu: ‚Du hast deine Frau getötet, so wie ich durch einen Priester starb und verbrannt wurde. Das sollst du nun alles auch erleiden, wir Frauen rächen deine Tat. Jetzt wirst du ein Verlorener sein, ein Gehetzter und zu uns ins Schattenreich kommen, einer von uns, auf ewig!’
Ich zitterte am ganzen Leib und verkroch mich ganz nach hinten an die Felswand. Die Brandung dröhnte zu mir herauf wie die Trommeln des Jüngsten Gerichts. Dann kamt ihr zum Glück noch vor Einbruch der Dunkelheit und zogt mich wieder nach oben. Seither lassen mich diese Schatten nicht mehr los. Und neulich, als diese fremde Frau hier ankam, da bin ich beinahe vor Schreck gestorben. Bei den Schatten war eine, der sah sie zum Verwechseln ähnlich. Ich dachte, nun holt sie dich und rannte schnell weg. “
„Das ist ja schrecklich. Und jetzt siehst du diese Luftwesen regelmäßig?“ fasste Xirian nach.
„Immer wieder und ganz unregelmäßig. Und sie drohen mir. Es ist vor allem diese Hexe. Ich muss hier weg, an einen Ort, wohin sie mir nicht folgen können.“
„Aber warum bedrängen sie dich gerade jetzt und nicht schon früher?“
„Das weiß ich auch nicht. Vielleicht sind sie nicht immer so aktiv und werden nur bei bestimmten Ereignissen oder Mondzeiten munter. Was weiß ich! Aber woher weißt du überhaupt von diesen Dingen? Die anderen Leute würden es mir ohnehin nicht glauben und mich für verrückt erklären.“
„Ich spüre seit einigen Monaten die Anwesenheit solcher Schatten. Doch sie teilen sich mir nicht mit. Aber du hast recht, es geschieht vor allem an Neumond und in Vollmondnächten, manchmal auch bei Nebel. Da scheinen sie besonders rege zu werden.“
„Ich weiß nun
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