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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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kleinen Insel und die Geistwesen machten sich immer wieder einen Spaß daraus, französische Soldaten und Besatzer Jagd auf die Inselfrauen machen zu lassen. Es war eine harte Zeit für uns Insulaner. Auf der einen Seite kam Geld auf unser Eiland, auf der anderen wagten sich unsere Frauen kaum mehr vor die Tür.
    ‚Voulez vous coucher avec moi’ bekamen sie von den Frogs zu hören und mancher wurde sogar tätlich, hatte er doch nichts zu befürchten. Er war schließlich der Besatzer und damit der Herr. Eine Delegation besuchte deswegen den Kommandanten und bat inständig darum, dass die Soldaten mehr Disziplin üben sollten. Doch auch das war vergebens. Zu sehr pochte die unterdrückte Fleischeslust in den Beinkleidern der Besatzer, und war die Gelegenheit günstig, so griffen sie zu. Schließlich rekrutierte der Befehlshaber vom Festland ein paar leichte Mädchen, die den sexuellen Notstand lindern sollten. Die Damen mussten Schwerstarbeit leisten und es hieß unter der Hand, dass sogar einige Inselmänner der leicht erreichbaren Lustbarkeit nicht abgeneigt waren.
    Ich selbst sah mich in der Rolle eines Sergeanten und spielte in dem Drama meine wenig rühmliche Rolle. Auch hatte ich den jähen Tod einiger Männer zu untersuchen, die auf unerklärliche Weise über die Klippen gestürzt waren. Ich hatte so meinen Verdacht, dass dahinter Ehemänner steckten, die von der Soldateska durch Vergewaltigung gehörnt worden waren. Doch ich biss auf Granit. Die Inselgemeinschaft, selbst, wenn sie etwas wusste, hielt wie immer eisern zusammen. Da war nicht viel mit Ermittlungen und es stellte sich somit für mich auch kein Erfolg ein. Den Frust reagierte ich in einem der Bezahlschöße vom Festland ab.
    Besonders eine der Damen hatte es mir angetan. Sie hieß Elisabeth, kurz Beth genannt, und war ein keckes Persönchen mit dunklen Haaren und einer allerliebsten Stupsnase und ich verliebte mich fast in sie. Das wiederum brachte mich beim Kommandanten in Misskredit, sodass ich froh war, als ich endlich nach Frankreich zurückbeordert wurde. Zeitweise wurde mir sogar unterstellt, ich würde mit den Capern kohabitieren, ein Spießrutenlaufen ohne Ende in den eigenen Reihen und vor allem durch meine Offizierskollegen. Als das Schiff mit den Ablösungen ankam und ich endlich an Bord war, atmete ich auf.
    Beth hatte ich kurzerhand mitgenommen und beschlossen, sie trotz ihres bewegten Vorlebens in meinem Heimatland zur Frau zu nehmen. Damit endete auch diese Episode.
     
    Mir jedenfalls wurde immer unwohler in meiner Haut und ich erwog sogar, von meiner geliebten Insel wegzuziehen. Andererseits interessierten mich die Erkenntnisse geradezu brennend, die ich so gewann, und ich studierte mit Eifer die Wirkungen der unsichtbaren Schatten auf meine Mitmenschen, die wie Marionetten an unsichtbaren Fäden gelenkt wurden, ohne es zu merken. Ich auch? Ich vermochte es nicht zu sagen, wenngleich mein Wissen oftmals dazu ausreichte, zu erkennen, was von meinem Tun nicht auf meine ureigenste Entscheidung zurückzuführen war.
    So konnte ich mich wenigstens ein wenig gegen dieses unselige Schicksal stemmen, obwohl mir dabei natürlich immer schmerzlich bewusst war, dass ich eines Tages und nach meinem Tod zu einem ähnlichen Dasein verdammt sein würde, ein scheußlicher Gedanke, der mich innerlich frieren machte. Manchmal beneidete ich sogar jene Zeitgenossen, die von dem all nichts wussten und unbekümmert in den Tag hinein lebten.
    Und so dachte ich fast verzweifelt darüber nach, wie ich dem Spuk vielleicht doch ein Ende bereiten, den alten Fluch auf der Insel löschen könnte. Ich habe bis heute keine Antwort gefunden.
    Gott gebe einem meiner Nachfahren die Kraft, das Rätsel zu lösen und unser Oiléan Chléire zu befrieden. Auch das ist einer der Gründe, warum ich mich der Mühe unterzog, mit meinen ungeübten Händen dieses Schriftstück zu verfassen.
    Ich wünsche einem meiner Nachkommen dieses Glück von ganzem Herzen.
    Im Namen des Herrn, geschlossen im Jänner des Jahres 1820.“
    Xirian war erneut sehr nachdenklich geworden. Er rieb sich mehrmals angelegentlich die Nase. Nach einer längeren Pause meinte er schließlich:
    „Paddy, dein Urahn hat einmal die Stimme eines solchen Geistes gehört. Und das war, als er die Schatzkiste fand. Ich denke, wir sollten den Versuch machen, sie ebenfalls auszugraben. Vielleicht nimmt derselbe Schatten dann erneut Kontakt auf und wir können mit ihm sprechen. Es ist jedenfalls einen Versuch

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