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Gesichter: Roman (German Edition)

Gesichter: Roman (German Edition)

Titel: Gesichter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schäfer
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Toilette benutzen könne.
    »Wollen Sie etwas essen?«
    »Nein.«
    »Gibt es etwas Neues?«
    »Das wissen wir nicht.«
    Keine Informationen, keine falschen Versprechungen. Sie waren auf die Gästetoilette gehuscht und zwei oder drei Minuten später saßen sie schon wieder im Auto und rieben ihre Handflächen aneinander, als herrschte sibirische Kälte.
    »Wieso reden die nicht mit uns? Ist dir was aufgefallen?«, sagte er. »Ein Beamter hat die Sache im Revier aufgenommen. Dann mussten wir alles noch einmal erzählen. Und jetzt die da draußen. Woher wissen wir eigentlich, dass die Polizei wirklich nach Nele sucht? Woher wissen wir das?«
    Berits Gesichtsausdruck war gequält, als hätte er das Gleiche vor fünf Minuten schon gefragt. Er ging in sein Arbeitszimmer, damit Berit ihn nicht hören konnte, wenn er telefonierte. Nach dem dritten Klingeln sagte die Einsatzleiterin lachend ihren Namen, als steckte sie mitten in einer lustigen Unterhaltung. Im Hintergrund hörte er Stimmengewirr.
    »Lorenz«, sagte er. Sie schwieg verdutzt. Die Stimmen im Hintergrund wurden lauter, skandierten rhythmisch einen Namen, Markus oder Mario. Wo war sie? In einer Karaokebar?
    »Herr Lorenz«, sagte sie endlich. »Warten Sie. Entschuldigung.« Rascheln und Rauschen, als hätte sie ihre Hand über das Mikrofon gebreitet, und als sie sich wieder meldete, war es still. Mit ernster, aber nicht zu besorgter Stimme fragte sie, ob es etwas Neues gäbe. Er kannte das abrupte Umschalten von der Ausgelassenheit zum Ernst der Lage, in all den Jahren als Arzt war ihm dieser Sprung zur zweiten Natur geworden, er wusste, wie leicht er ihr fiel, wie bedeutungslos ihre plötzliche Zugewandtheit war, und das machte ihn für einem Moment sprachlos.
    »Was es Neues gibt? Das fragen Sie mich? Warum werden wir nicht auf dem Laufenden gehalten?«
    Sie holte Luft.
    »Bisher hat sich leider nichts ergeben, aber –«
    Er unterbrach sie: »Es gibt immer eine zweite oder dritte Möglichkeit, man wählt immer aus, was man verschweigt oder sich für später aufspart.«
    »Ich verstehe, wie schwer es für Sie sein muss.«
    »Glauben Sie, dass dieser Mann Nele entführt hat, oder glauben Sie es nicht?«
    »Wir recherchieren in alle Richtungen, aber nach dem, was unsere Spurensicherung auf der Karte gefunden hat, ist es durchaus möglich, dass Ihre Tochter in der Gewalt dieses Mannes ist.«
    »Hat der Pförtner den Mann, den er in der Klinik mit Nele gesehen hat, auf dem Phantombild eigentlich wiedererkannt?«
    »Nein. Das konnte er auch nicht, weil er zu weit weg saß.« Sie schwieg einen Moment. »Unsere Anfragen an die Polizei in Ancona hat ergeben, dass kein aufgegriffener Flüchtling, kein blinder Passagier der Polizei gemeldet und übergeben worden ist.«
    »Was wollen Sie damit andeuten? Dass ich mich geirrt, dass ich mir den Mann eingebildet habe?«
    »Im Gegenteil. Es hat nichts zu bedeuten, dass die Polizei nichts weiß. Einige Reedereien melden die Flüchtlinge nicht, um keine Scherereien mit den Behörden zu bekommen. Sie nehmen ihnen Geld ab und lassen sie dann gehen oder ein paar Tage für sie arbeiten und setzen sie aus, wenn sie das nächste Mal nach Italien kommen. Ich will damit sagen, dass es durchaus möglich ist, dass der Mann inzwischen in Deutschland ist, obwohl er auf der Fähre aufgegriffen wurde.«
    Wenn er sie richtig verstand, gab sie ihm zu verstehen, dass sie an eine Entführung glaubte. Für einen schmerzhaften Moment stand ihm das lädierte Gesicht klar vor Augen: das Hämatom, die geschwollene Lippe. Gabor trat ans Fenster, als könnte der Mann dort unten neben dem Müllhäuschen der Hauensteins stehen, aber da waren nur die Zivilbeamten in ihrem Passat. Der Fahnder hinterm Steuer hatte seine Arme fest um den Oberkörper geschlungen und die Rückenlehne seines Sitzes so weit heruntergedreht, dass er liegen und gleichzeitig das Haus beobachten konnte, zumindest das Fenster im ersten Stock, hinter dem Gabor gerade stand.
    »Was machen die Witzbolde eigentlich? Beschützen oder bewachen die uns?«
    Berit schlief, so wie er in der Nacht zuvor, im Wohnzimmer auf dem Sofa, ein Nagetier, das sich in seinem Bau versteckt, nur ihr Gesicht sah aus der Decke hervor, doch der Ausdruck auf ihren Zügen war friedvoll und entspannt. Er wollte sie berühren, er wollte sie küssen und sich zu ihr legen, doch er sah sie nur an, bis sie die Augen öffnete, als hätte er sie gerufen. Augenblicklich war sie wach, doch als er leicht den Kopf

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