Gespenster Kuesst Man Nicht
sind wir von den Eltern einer Ihrer Schülerinnen, Evie O’Neal, beauftragt worden.«
Auf Vesnicks Gesicht zeichnete sich Besorgnis ab. »Von Evies Eltern?«, fragte er vorsichtig. »Aus welchem Grund?«
»Erinnern Sie sich noch an den Zwischenfall letzte Woche während Ihres Abschlusstests?«, fragte Gilley.
In Vesnicks Augen trat ein Ausdruck, der an Panik grenzte. »Ich habe Evie niemals in diesen Flügel geschickt! Bei Gott, ich schwöre, ich habe keinem der Schüler jemals gesagt, er soll da reingehen!«
Gilley war etwas vor den Kopf geschlagen. Er hatte wohl nicht bedacht, wie anklagend diese Einleitung wirken musste. Ich mischte mich ein, bevor er es komplett vermasseln konnte. »Mr Vesnick, ich bin M.J. Holliday. Ich versichere Ihnen, dass wir nicht hier sind, um Ihnen Vorwürfe zu machen. Wir sind weder Polizisten noch Anwälte.«
Er blieb steif und abwehrend. »Was sind Sie dann?«
Ich beschloss es mit der schlichten, ehrlichen Wahrheit zu versuchen. »Geisterjäger.«
Vesnick starrte uns ein paar Sekunden an, als wartete er auf die Pointe. »Jetzt mal ehrlich«, sagte er dann. »Was soll das alles?«
Ich holte meine Visitenkarte aus meiner Jacke und reichte sie ihm. »Wir sind wirklich Geisterjäger. Wir haben schon Dutzende von Fällen paranormaler Aktivität untersucht und bei vielen Leuten, die von Poltergeistern belästigt wurden, Abhilfe geschaffen.«
Vesnick sah die Karte an, dann wieder mich. Sein Blick sagte noch immer: Das ist doch wohl ein Witz, oder? »Und Evies Eltern haben Sie zu welchem Zweck angeheuert? Um Hatchet Jack loszuwerden?«
Gil und ich nickten nachdrücklich. Endlich ein Lehrer, der die Sache kapierte. »Ja, genau das ist der Grund.«
»Okay«, sagte er skeptisch. »Und was habe ich damit zu tun?«
In diesem Augenblick kam eine Frau aus der Nebenwohnung und starrte uns alle ungnädig an. »Ich gucke gerade meine Serie, Ray«, beklagte sie sich. »Ich hör nichts, wenn ihr drei hier draußen so laut rumquatscht.«
»Tut mir leid, Adeline«, sagte er. Dann wandte er sich an uns. »Möchten Sie vielleicht reinkommen?«
Wir folgten ihm in seine vollgestopfte, unordentliche Wohnung. Die Eingangstür führte direkt in die Küche, in der sich leere Styroporbehälter und Kartons von chinesischem Fast Food stapelten. »Verzeihen Sie die Unordnung«, sagte er, während er rasch einige davon einsammelte und in den Mülleimer stopfte. Ich fühlte mich an Muckleroy und sein chaotisches Büro erinnert. »Ist doch nicht schlimm«, sagte ich und deutete mit fragendem Blick auf einen Stuhl.
»Aber sicher, nehmen Sie Platz.« Er zog sich selbst einen Stuhl heran. Gil setzte sich schweigend neben mich. Mit seinem stillen Einverständnis hatte ich wieder die Führung übernommen.
»Wie gesagt, wir untersuchen die paranormale Aktivität an der Schule«, erklärte ich. »Leider hat sich bisher keiner der Lehrer, mit denen wir gesprochen haben, als sonderlich hilfsbereit erwiesen.«
»Mit wem haben Sie denn gesprochen?«, wollte Vesnick wissen.
»Mit Mr Ballsach, dem Rektor und Mr Skolaris«, sagte Gil.
Vesnick schnaubte sarkastisch. »Das überrascht mich nicht. Jeder, der es länger als zwei Jahre dort aushält, verleugnet diesen Jack total.«
»Haben Sie eine Idee, warum?«, fragte ich.
Wieder schnaubte Vesnick. »Weil es sich niemand leisten kann, länger als zwei Jahre dort zu bleiben. Ballsach und Skolaris sind die beiden Ausnahmen.«
»Wie meinen Sie das, niemand kann es sich leisten?«, fragte Gilley.
»In Northelm werden die Lehrer mit einem Hungerlohn abgespeist. Ich meine, schauen Sie sich mal um. Würde ich hier wohnen, wenn ich eine anständige Bezahlung hätte?«
Gilley musterte die Umgebung genau. »Oh, ich weiß nicht. Wenn man die Wände neu streichen und die Fensterrahmen mit Holzlasur behandeln würde …«
Ich stieß ihn unter dem Tisch an, ehe er es mit der Stilberatung übertrieb. »Warum bewirbt sich dann überhaupt noch jemand als Lehrer hier?«, fragte ich.
»Weil es gut für den Lebenslauf ist«, sagte Vesnick. »Wer mal in Northelm war, kann im Grunde sofort in jedem anderen Internat in den Staaten und Europa anfangen. Ich will in die Schweiz, und nach zwei Jahren hier kann ich da garantiert landen.«
»Wir haben das Haus von Skolaris gesehen«, sagte ich nachdenklich. »Sieht nicht gerade so aus, als hätte er finanzielle Probleme.«
Vesnick faltete die Hände. »Es geht unter dem Lehrpersonal das Gerücht, dass Skolaris beträchtlich besser
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