Gespenster Kuesst Man Nicht
herrschte mich Gil an. »Du kannst da nicht raus! Das ist viel zu gefährlich!«
»Ruf die Bullen!«, brüllte ich nur, ohne seinen Befehl zu beachten. So schnell ich konnte, hetzte ich über den Rasen. Ein Stück vor mir stand eine große Gestalt in der Dunkelheit, und beim Näherkommen sah ich, dass neben ihr am Boden ein zusammengesacktes Etwas lag. Meine medialen Sinne erfassten, dass sich weit und breit kein Geist in der Nähe befand – wer auch immer dort stand, er war lebendig.
»Hey!«, schrie ich schnaufend. »Was machen Sie da?«
»Ich hab die Cops in der Leitung!«, schrie Gil. »M. J., hau ab! Geh da nicht hin!«
Bei meinem Ruf drehte sich die Gestalt um, aber es war zu dunkel, um das Gesicht zu erkennen. Ich sah nur, dass der Mann groß und breitschultrig war und etwas in der Hand hielt. Ich kniff die Augen zusammen, um es deutlicher erkennen zu können. Im nächsten Augenblick wurde mir klar, worum es sich handelte, und mir wurde eiskalt. Ich bremste so abrupt ab, dass meine Knie gestaucht wurden. Der Mann hielt ein Beil in der Hand, dessen Schneide schwarz glänzte und tropfte. »Gott im Himmel!«, japste ich, fuhr auf dem Absatz herum und hetzte, so schnell ich konnte, davon. »Gilley!«, schrie ich. »Gilley!«
Hinter mir hörte ich rasche Schritte näherkommen. Zum zweiten Mal in dieser Nacht holte ich alles aus mir heraus und zwang meine Beine, sich schneller zu bewegen als je zuvor. Dennoch hielt das Hämmern der fremden Füße mit mir Schritt. Ich hatte jetzt solche Panik, dass ich kaum noch etwas sah.
»Hilf mir! Der ist hinter mir her, Gilley!«
Da flammten vor mir zwei gleißende Lichter auf, und das Dröhnen eines Motors kam näher. »Halt durch!«, schrie Gilley, während die Lichter über den unebenen Rasen zu hüpfen begannen, genau auf mich zu.
Das Trommeln der Schritte hinter mir stockte, und das Licht wurde so grell, dass ich meine Augen mit dem Arm schützen musste. »Ich halte direkt neben dir an!«, rief Gil. »Spring rein, wenn ich bremse!«
Es vergingen noch zwei Sekunden, dann bremste Gilley, und ich hörte, wie die Reifen die Grasnarbe aufpflügten. Als das Auto akkurat neben mir zum Stehen kam, stürzte ich keuchend zur Seitentür und riss sie auf. Ich warf die Kamera auf den Sitz, hechtete selbst hinterher und schrie: »Los!«
Gilley trat aufs Gas. Die Hinterräder des Vans schlitterten über Erde und Gras, als er schleudernd wendete, und endlich entfernten wir uns von der Gestalt, die mich gejagt hatte. Meine Beine hingen noch aus der Tür, und ich musste mich an der Sitzfläche festklammern, um nicht hinausgeschleudert zu werden.
Gilley warf mir über die Schulter einen Blick zu. »Bist du drin?«
»Ja!«, brüllte ich. »Fahr einfach weiter!«
Erst als wir es wieder auf den Parkplatz geschafft hatten, war ich in der Lage, mich ganz in den Wagen zu ziehen und die Tür zu schließen. In der Ferne waren Polizeisirenen zu hören, die schnell näher kamen. Gilley hielt nicht auf dem Parkplatz an, um auf sie zu warten, sondern fuhr geradewegs in Richtung Ausfahrt.
»Wohin willst du denn?«, fragte ich, während ich zu ihm nach vorn kletterte.
Seine Augen waren vor Panik geweitet. »Raus hier, in Gottes Namen!«
»Wir müssen auf die Cops warten!«, schrie ich ihn an.
»Oh nein!«, beharrte er. »Wir verschwinden.«
»Gilley.« Ich gab mir Mühe, ruhig zu sprechen. »Halt das Auto an.«
»Aber der will uns holen!«, widersprach Gilley. »Jack jagt uns und will uns umbringen!« Und er brach in Tränen aus.
Wir waren schon fast am Ende des Zufahrtsweges, und vor uns bog das erste Polizeiauto in Richtung Schule ein. »Gilley!«, flehte ich. »Die Polizei ist da. Bitte, halt an!«
Gilleys Wangen waren tränenüberströmt, und mir war klar, dass er wahrscheinlich kaum etwas sah. Der erste Streifenwagen sauste mit etwa hundertvierzig Sachen an uns vorbei, ein zweiter war jetzt ebenfalls in den Zufahrtsweg eingebogen. Gilley schluckte zweimal krampfhaft und fuhr rechts ran. Ein drittes Auto, ein Zivilwagen mit Blaulicht, bog in den Weg ein und blieb keine zehn Meter vor uns gleich hinter der Abzweigung stehen.
Ich beugte mich zu Gil hinüber und nahm ihn in den Arm – ich wusste, dass er solche Schrecksekunden nicht besonders gut vertrug. Aber in dem Augenblick sah ich das Megafon, das jemand aus dem Fenster des Autos vor uns hielt, und eine metallisch klingende Stimme rief: »Kommen Sie mit erhobenen Händen aus dem Van raus!«
Gilley schluchzte, dass seine
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