Gespielin des Feuers: Roman (German Edition)
sie so schändlich hintergangen hatte –, quälte sie Tag und Nacht.
So dumm von dir, ihm zu vertrauen, warf sie sich selbst immer wieder wütend vor. Denn vor langer Zeit hatte ein Mann ihrer kranken Schwester Mary versprochen, er würde sich um sie kümmern, sie dann aber einfach in einem städtischen Krankenhaus abgeladen. Dort war sie schließlich gestorben, in einem beengten Raum mit acht anderen Patienten, und dazu mit minimaler ärztlicher Versorgung.
Und so brauchte Ryan beinahe ein Jahr, um Meg davon zu überzeugen, dass er stets für sie da sein und sie nie im Stich lassen würde. Täglich hatten sie sich online unterhalten, manchmal stundenlang.
Alles wusste er über sie – über ihre religiöse Erziehung, ihre Ängste, ihre Vergangenheit.
Diesem Mann verdankte sie erotische Anregungen, die ausreichen würden, um ein Leben lang ihre Träume auszufüllen. Lachend und errötend las sie seine freimütigen Schilderungen – was er mit ihr machen würde, wenn sie sich endlich trafen. Und er liebte ihre schüchternen Andeutungen, was sie mit ihm tun wollte. Über die Zeit war sie dabei allmählich kühner geworden.
Ja, alles hatte er gewusst. Und dann, am Tag der vereinbarten Begegnung, war er nicht aufgetaucht. Sie hatte in einem Café gesessen, so wie jetzt, und gewartet. Sechs Stunden, genau so lange wie Mose damals auf seine Freundin gewartet hatte. Danach ging sie nach Hause und stahl Ryan einen Batzen Geld, direkt vor seiner Nase, bei einem Riesengeschäft, und sie hatte zuvor versprochen, nicht dazwischenzufunken.
Fünfundzwanzig Millionen Dollar.
Diesen Geldtransfer von Ryan auf das Konto der Waffenhändler hatte sie mit der Hilfe eines Tipps von Mose abgefangen. Die Summe war der Profit aus einem gigantischen Geschäft, das er abgewickelt hatte.
Laut ML waren unmittelbar nach dem Transfer mehrere Waffenhändler und Terroristen hinter Ryan her gewesen. Und dann hatten die Geschwister nichts mehr von ihm gehört. Als wäre er vom Erdboden verschwunden.
Seither spendete Meg ihr ganzes Geld, sehr zum Missfallen ihres Bruders, Krankenhäusern und Wohlfahrtsorganisationen. In letzter Zeit fiel es ihr immer schwerer, sich selbst zu übertreffen, den gewohnten Nervenkitzel zu genießen, wenn sie superreiche Leute bestahl. Gewiss, es bereitete ihr immer noch Freude, das Geld für einen guten Zweck zu verwenden. Sie selbst besaß immer nur so viel, wie sie brauchte. So war sie aufgewachsen, und sie hatte es stets vorgezogen, mit leichtem Gepäck zu reisen.
Auch mit dem Beten hatte sie über die Jahre nicht aufgehört, selbst wenn laut den Regeln der Amish der Allmächtige sie verlassen haben musste, nachdem sie von der wahren Religion abgefallen sei …
Doch sie wollte nicht glauben, sie wäre einfach verlassen worden. In den letzten Wochen war ihr das Gerücht zu Ohren gekommen, dass Ryan angeblich immer noch lebte und nach ihr suchte.
»Viel länger bleibe ich nicht mehr hier, Mose. Wahrscheinlich fliege ich schon morgen weg.« Indem sie ihre Bleibe und ihren persönlichen Stil ständig wechselte, lenkte sie die Verfolger von ihrer Spur ab. Seit der Ankunft in Deutschland trug sie eine kurze dunkle Bob-Frisur, ohne auffällig gefärbte Strähnchen, nur mit natürlichen Highlights. Sie kleidete sich luxuriös – Chanel, Manolo Blahniks, die ihre Füße umbrachten. Aber sie verliehen ihr die arrogante Aura einer Frau, die nicht belästigt werden wollte. Ob Regen oder Sonnenschein sah man sie mit großer Sonnenbrille, die den Look abrundete.
Wenn sie die schicken Outfits auch genoss, ihr wahres Wesen hatte sie bereits ergründet – eine sachliche Jeans- und T-Shirt-Frau, die sich fragte, ob sie jemals aus der Online-Welt herausfinden und wieder in der Rea lität leben würde.
Zweifellos war sie nach der Ansicht ihrer Eltern nicht mehr zu retten, doch wie sie das selber beurteilte, wusste sie nicht so genau.
»Soll ich dich abholen?«, fragte Mose.
»Nein, komm nicht hierher.«
Während sie auf ihrem Laptop tippte und den unerwünschten Ratschlägen ihres Bruders lauschte, nahm jemand ihr gegenüber Platz – ein Mann, nach seinen Händen auf dem kleinen Tisch zu schließen. Weil so etwas sehr oft geschah, blickte sie nicht auf, denn sein Gesicht interessierte sie nicht. Sobald ein Mann eine Frau allein in einem Café sitzen sah, nahm er gleich an, sie wäre einsam.
Okay, sie war einsam, wenn auch nicht verzweifelt auf der Suche nach männlicher Gesellschaft.
Aber als sie nach einer Weile den
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