Gesponnen aus Gefuehlen
anschauen, dachte Lucy. Nicht nach allem, was geschehen war, doch sie war nicht imstande, ihren Blick abzuwenden. Er wollte ihr etwas sagen, für das er keine Worte fand, das spürte sie deutlich.
»Lucy«, sagte Nathan leise. Der Zauber zerbrach. Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. »So geht das nicht. Versteh doch. Der Bund ist zu mächtig. Du kannst dich nicht gegen ihn auflehnen. Du musst tun, was sie von dir verlangen, sonst bringen sie dich um.«
»Das kann ich nicht, Nathan. Es ist falsch, was ihr tut. Ich muss den Büchern helfen. Das weißt du.«
Nathan hörte ihr nicht zu, sondern wandte sich an Colin.
»Bring sie zur Vernunft«, forderte er ihn auf. »Du bist wahrscheinlich der Einzige, auf den sie hört. Ich bin mit meinem Latein am Ende. Wenn sie nicht für den Bund arbeitet, muss sie verschwinden.«
»Ich wünschte, es gäbe einen anderen Weg«, sagte er zu Lucy gewandt, ohne sie anzuschauen. Lucy war ihm dankbar dafür.
Er drehte sich um und ging davon.
Colin zog Lucy ins Haus und die Treppe hinauf. Sie zitterte ohne Unterlass.
»Das klang für mich nicht nach einer Drohung«, stellte Jules fest, als sie in der Wohnung waren. »Es klang besorgt, Lucy.«
»Ich lass mich nicht von ihm einwickeln«, sagte Lucy mit zittriger Stimme. »Einmal hat gereicht.«
»Welchen Grund gibt es für ihn, dich vor dem Bund zu warnen?«
»Er will mir Angst machen und mich überreden, dass ich mit ihm gemeinsame Sache mache. Ist doch klar. Er findet es richtig, was er tut.«
»Vielleicht weiß er nur nicht, wie er aus der Nummer rauskommt?«, wandte Colin ein. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit Absicht ein Feuer legt, um dich dann zu retten. Das ist total verrückt. Es hätte sonst was schiefgehen können. Da fallen mir andere Sachen ein, um eine Frau zu beeindrucken.«
»Da wäre ich aber neugierig«, wandte Jules sich ihm interessiert zu.
»Betriebsgeheimnis.« Colin lächelte sie an und Jules schüttelte ärgerlich ihren Kopf.
»Männer«, murmelte sie vor sich hin.
»Hast du was gegen uns?«, fragte Colin nach.
»Im Gegenteil.« Jules machte sich an einem der Küchenschränke zu schaffen.
»Ihm fällt offenbar nichts anderes ein«, unterbrach Lucy das Geplänkel der beiden, doch ihre Stimme klang nicht mehr ganz so fest.
»Wenn du denkst, dass er dich benutzt, warum drehst du den Spieß nicht um? Er wird es nicht mal merken! Männer sind für so etwas nicht sensibel genug. Er wird denken, dass er dich überzeugt hat«, schlug Jules vor.
»Du hast keine besonders hohe Meinung von uns, oder?« Colin grinste.
Jules zuckte mit den Schultern. »So kommt Lucy am ehesten an die nötigen Informationen. Mach ihm Hoffnungen. Sage, dass du es dir überlegt hast.«
»Du machst mir Angst«, sagte Colin an Jules gewandt. »Aber das könnte klappen. Wenn er so tickt, wie die meisten meiner Geschlechtsgenossen, wird er sich tatsächlich geschmeichelt fühlen.«
»Sag ich doch«, lachte Jules.
»Ich weiß nicht recht«, murmelte Lucy. »Eigentlich möchte ich ihn nicht mehr sehen. Er soll aus meinem Leben verschwinden.«
»Überlege es dir in Ruhe«, sagte Jules. »Nur er kann dir sagen, wo die Bücher verborgen sind, die du retten willst. Diese Information brauchst du. Alles andere wird sich finden.«
»Hast du gesehen, wie sie sich angesehen haben«, fragte Jules Colin, als sie allein waren.
»Das war kaum zu übersehen«, antwortete er.
»Und diese Male mit den Lichtern, das war echt krass.«
Colin nickte.
»Sie ist nicht über ihn hinweg. Meinst du nicht auch?«
»Wenn du mich fragst, er über sie auch nicht«, antwortete Colin.
»Ich bin nicht sicher, ob den beiden das klar ist.«
»Nach allem, was Lucy als Kind durchgemacht hat, hätte ich ihr einen netten Jungen und eine unkomplizierte Beziehung gewünscht. Aber offenbar ist ihr das nicht vergönnt. Ich habe das gespürt, als ich sie das erste Mal gesehen habe.«
Jules musterte ihn nachdenklich.
»Bist du sicher, dass du sie nicht liebst, Colin?«, fragte sie zögernd.
»Weshalb fragst du das?«, wich Colin ihr aus.
Jules zuckte die Schultern und rührte in ihrer Teetasse. »Ich weiß nicht. Wahrscheinlich glaube ich nicht an Freundschaften zwischen Männern und Frauen.«
»Ich bin dein Freund«, sagte Colin und löste eine ihrer Hände von der Tasse.
Jules sah auf. »Ja, das bist du wohl.«
»Na siehst du.« Colin sprang auf. »Hast du Lust auf einen Film?«
»Ich muss noch zu einer Vorlesung. Vielleicht heute
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