Gesponnen aus Gefuehlen
uns in den nächsten Tagen miteinander arrangieren. Leider ist dieses Bett das einzige im Haus. Ich halte es für sicherer, wenn wir zusammenbleiben. Das Haus ist unbeheizt und es hat keinen Strom. Du kannst dich da auf den Stuhl setzen oder im Bett bleiben. Es ist kalt, vielleicht bist du froh, wenn ich dich wärme. Wäre schließlich nicht das erste Mal.«
Ein Lächeln umspielte seine Lippen, das Lucy nicht erwiderte. »In jedem Fall bleibst du in diesem Zimmer.«
»Da lege ich mich lieber mit einer Viper ins Bett«, sagte Lucy.
»Gut, dann nicht. Wenn du den Stuhl bevorzugst, bitte.« Er wies auf einen unbequem aussehenden Holzstuhl in einer Ecke. Lucy stand auf, wickelte sich in die Decke und stapfte zu dem Stuhl.
»Die Decke gehört ins Bett«, sagte Nathan trocken und schnappte danach, als sie sich an ihm vorbeidrängelte.
Mit verschränkten Armen setzte Lucy sich auf den Stuhl. Er sah nicht nur unbequem aus.
Nathan musterte sie. »Ich hatte gehofft, dass diese Maßnahme nicht notwendig ist. Aber da du nicht zur Vernunft kommst …« Er zog ein kurzes Seil aus seiner Hosentasche.
Lucy schnappte nach Luft. Bevor sie protestieren konnte, griff er nach ihren Handgelenken und umschlang sie mit dem Strick. Seine Finger streiften ihre Hände dabei beinahe zärtlich. Lucy zitterte, was nicht nur an der Kälte in dem Zimmer lag. Der Knoten, mit dem er seine Fesselung komplettierte, sah nicht so aus, als würde sie ihn mit den Zähnen aufbekommen.
»Ich mache das nicht gern«, erklärte er und sah sie an. »Ich wünschte …«
Er brach mitten im Satz ab und Lucy erfuhr seinen Wunsch nicht. Sie würde ihn nicht anbetteln, die Fesseln zu lösen, schwor sie sich. Am liebsten hätte sie vor Wut mit den Füßen aufgestampft, aber Nathan machte sich auch an ihren Beinen zu schaffen und band diese am Stuhl fest.
»Wie gesagt, ich hatte gehofft, dass das nicht nötig ist. Aber du lässt mir keine Wahl. Falls du doch mit ins Bett kommen möchtest, kannst du mich bitten.« Er lächelte sarkastisch. »Ich beiße auch nicht.«
»Darauf kannst du warten, bis du schwarz wirst«, fauchte Lucy.
Nathan zuckte mit den Achseln. »Wenn du meinst.« Er sah auf sie herab und seine schwarzen Augen verdunkelten sich. Etwas, was Lucy nicht für möglich gehalten hätte. Abrupt wandte er sich ab.
Ungeniert zog er seine Hose aus, wickelte sich in die Decke und legte sich ins Bett. Er löschte die Kerzen und nur Minuten später vernahm sie seine gleichmäßigen Atemzüge.
Im Schutze der Dunkelheit begannen Lucys Gedanken, Amok zu laufen. Was hatte er mit ihr vor? Weshalb verbarrikadierte er sich so? Um sie an der Flucht zu hindern, reichte es, dass er sie festband. Schließlich war sie keine Entfesselungskünstlerin, obwohl es einen Versuch wert war. Lucy hob ihre Handgelenke zum Mund und begann an dem Seil zu knabbern und daran zu ziehen. Das Ergebnis war, dass sich die Schnur bei jeder Bewegung zusammenzog und ihr zusätzliche Schmerzen verursachte. Ihre jämmerlichen Versuche, die Fesseln an den Fußgelenken zu lockern, endeten mit dem gleichen Resultat. Lucy schimpfte leise vor sich hin und gab auf. Irgendwo im Haus tickte eine Uhr in nervtötender Monotonie. Trotz der Kälte, die mit der Zeit von ihr Besitz ergriff, dämmerte sie weg. Allerdings verhinderten der harte Stuhl und die Fesseln, dass sie dauerhaft Schlaf fand. Irgendwann war das Taubheitsgefühl in ihren Händen und Füßen so schmerzhaft, dass Lucy meinte, es keine Minute länger auszuhalten. Es gab nur einen, der Abhilfe schaffen konnte. Wenn sie nicht mehr festgebunden war, würde es ihr leichter fallen zu fliehen, verteidigte sie ihren Sinneswandel. Es war besser, vorerst so zu tun, als ob sie sich mit ihrer Gefangenschaft abfand. Offenbar waren Nathan und sie allein und mit ihm wurde sie im Zweifelsfall fertig. Ihre Angst vor seinem Großvater war ungleich größer.
»Nathan«, rief sie. »Wach auf.«
Nichts rührte sich.
»Nathan«, zischte sie. »Du musst mich losbinden. Meine Hände sterben ab.«
»Hhm?«, erklang es verschlafen vom Bett.
»Könntest du aufwachen und mir die Fesseln lösen?«
»Warum?«
»Sie schneiden mir in die Haut und das tut höllisch weh.«
»Hast du versucht, dich loszumachen?« Sein Ton klang amüsiert.
»Selbstverständlich. Hast du gedacht, ich lasse mich einfach so von dir festbinden?«
»Vielleicht hätte ich dir sagen sollen, dass sie sich dann fester zusammenziehen.«
»Das wäre hilfreich gewesen.«
Nathan schwieg
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