Gesponnen aus Gefuehlen
auf der Haut ihres Armes. Ein Prickeln durchlief sie. Sofort rückte sie zum Rand des Bettes. Bloß weil sie sich vor Batiste und seinen Männern mehr fürchtete, durfte sie nicht vergessen, was Nathan ihr angetan hatte. Sie musste aufhören, daran zu denken, wie er sie ansah, wenn er sich unbeobachtet glaubte. Sie musste aufhören daran zu denken, wie seine Hände sich auf ihrer Haut anfühlten.
»Da ist nur etwas auf das Dach gefallen«, erklärte er. Die Dunkelheit ließ seine Stimme ganz sanft klingen.
Lucy schwieg. Schlaf einfach ein, betete sie.
Die Zeit verging und die Wärme unter der Decke lullte sie ein. Wenn sie jetzt nicht ging, bereute sie das später sicherlich. Zwar hatte sie keine Ahnung, wie sie aus dem Haus kommen sollte. Aber alles erschien ihr besser, als auf Batiste de Tremaine zu warten und ihm ausgeliefert zu sein.
Sie richtete sie sich auf. Wenn Nathan aufwachte, war sie verloren. Er würde sie anbinden und nicht noch einmal losmachen. Sie hob die Decke und die Kälte brach über sie herein. Sie fror und fragte sich, ob sie ihre Jacke und Schuhe in dem Haus fand. Nur auf Strümpfen in den Wald zu laufen, kam bei den Temperaturen einem Selbstmord gleich. Ohne ein Geräusch stand sie auf. Sie tastete sich blind durch den Raum und hoffte, dass sie die Tür fand und dass diese sich öffnen ließ. Vielleicht konnte sie in der Küche mehr sehen und eine Kerze anzünden. Behutsam tastete sie sich an der Wand entlang und fühlte nach kurzer Zeit die Türklinke unter ihren Fingern. Lautlos drückte sie diese herunter. Auf Zehenspitzen schlich sie in den Flur. Langsam gewöhnten ihre Augen sich an die Dunkelheit und sie konnte die Umrisse einiger Gegenstände ausmachen. Lucy überlegte, welches die Tür zur Küche gewesen war. Außerdem verspürte sie das dringende Bedürfnis, die Toilette zu benutzen. In der Hoffnung, dass auch diese Tür nicht quietschte, drückte Lucy eine Klinke herunter. Tatsächlich befand sich dahinter die Küche. Auf dem Tisch brannte in einem Glas ein Teelicht. Lucy wurde mutiger. Wenn Nathan bis jetzt nicht aufgewacht war, schlief er vielleicht so fest, dass ihr eine Flucht gelang. Mit dem Teelicht in der Hand eilte sie zur nächsten Tür. Dahinter verbarg sich ein winziges Bad. Nachdem Lucy sich erleichtert hatte, trat sie, mit der Kerze in der Hand, zurück auf den Flur. Sie brauchte dringend eine Jacke, Schuhe, den Hauschlüssel und am besten den Autoschlüssel. Leise zog sie die Badtür zu und blickte in die Dunkelheit des Schlafzimmers.
Sie glaubte nicht, was sie sah. Der Schlüssel zu der Tür des Zimmers, in dem Nathan sie eingesperrt hatte und in dem er seelenruhig schlief, steckte im Schloss. Lucy griff nach der Klinke und wollte die Tür zuziehen. In dem Moment gaben die altersschwachen Scharniere ihre Lautlosigkeit auf und quietschten steinerweichend. Lucy erstarrte. In dem Bett, das im flackernden Kerzenlicht nur schwer zu erkennen war, erwachte Nathan. Jedenfalls vermutete Lucy, dass er aufwachte. Überdeutlich hörte sie, wie er mit der Bettdecke rumorte. Als er bemerkte, dass Lucy nicht mehr neben ihm lag, sprang er auf und trat ins Licht. Lucy blickte in sein wutentbranntes Gesicht, doch bevor er reagieren konnte, zog sie die Tür mit einem Knall zu und drehte den Schlüssel herum.
Nathan trommelte von innen gegen das Türblatt. Lucy hoffte, das morsche Ding hielt seine Schläge aus. Nachdem Nathan gefühlte fünf Minuten dagegen gehämmert hatte, ohne dass die Tür sichtbar nachgab, begann Lucy sich zu entspannen.
Sie hatte ihn eingesperrt, dachte sie triumphierend. Sie entzündete alle Kerzen, die sie finden konnte. Damit vertrieb sie, wenn auch nicht die Kälte, doch immerhin die Dunkelheit aus den Ecken. Nathans Rufe und sein Klopfen versuchte sie zu ignorieren. Das winzige Häuschen bestand aus einer Etage. Es war eher eine Kate, die weißen Wände waren mit Lehm verputzt. Es roch klamm und muffig. In der Küche standen ihre Schuhe. Ihre Jacke suchte sie vergeblich, aber Nathans hing über einem Stuhl. Lucy überlegte nur kurz und schlüpfte hinein.
Auf dem Tisch stand eine Thermoskanne mit Tee, und während Lucy darüber nachdachte, was sie als Nächstes tun sollte, goss sie sich eine Tasse ein und wärmte die Hände. Sie ging zu dem Fenster an der Stirnseite des Raumes und versuchte, es zu öffnen. Vergeblich ruckelte sie daran. Lucy ging in das Zimmer nebenan. Es war leer, aber auch hier war das Fenster verrammelt. Das Bad hatte kein Fenster und
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