Gesponnen aus Gefuehlen
Schreibtisch, auf dem ordentlich das Werkzeug stand, das Nathan benötigte, um die Buchdeckel der Bücher zu kopieren, die er auslesen sollte. Am rechten Rand lagen drei sorgfältig verpackte Bücher.
»Ich denke, es ist besser, wenn du deiner Aufgabe zukünftig hier nachkommst. Ich möchte nicht riskieren, dass dir etwas zustößt«, erklärte Batiste mit sarkastischem Unterton. »Da du Orion verletzt hast, steht leider nur Sirius zu deiner Verfügung. Du wirst die nächsten Tage hier unten verbringen und arbeiten. Es gibt viel aufzuholen. Wenn du etwas brauchst, sag Sirius Bescheid. Er wird es dir besorgen. Dreimal am Tag bringt er dir Essen und begleitet dich für eine Stunde nach oben. Und ich warne dich, Nathan. Vergiss unsere Abmachung nicht. Wenn du dagegen verstößt, ist das Leben des Mädchens keinen Pfifferling mehr wert. Und du weißt, dass ich nicht scherze.«
Nathan nickte. Batiste drehte sich um und verließ den Raum. Sein Großvater musste unter enormem Druck stehen, wenn er verlangte, dass er mitten in der Nacht mit der Arbeit begann, dachte Nathan und rieb sich über die müden Augen. Er würde tun, was dieser verlangte. Lucy würde ihn dafür verachten, aber das konnte er nicht ändern. Es war die einzige Möglichkeit, sie zu schützen, auch wenn fraglich war, ob Batiste sich an die Vereinbarung hielt. Nathan griff nach dem Buch, das zuoberst lag, und packte es aus. Er hätte es wissen müssen. Es war Das Bildnis des Dorian Gray. Dieses Exemplar hatte Lucy ihm erst vor wenigen Tagen in den Lesesaal der Londoner Bibliothek gebracht. Dass sein Großvater es fertiggebracht hatte, das Buch in so kurzer Zeit hierher zu schaffen, sprach Bände darüber, über welchen Einfluss er verfügte. Nathan hätte schwören können, dass es nicht möglich war, dieses Exemplar zu entleihen. Immerhin war das Buch dem Brand unversehrt entkommen. Auf dem Tisch lag der Teil der Skizze, die Nathan bereits angefertigt hatte. Er brauchte nicht lange, bis die Zeichnung endgültig fertig war. Batiste hatte an alles gedacht, dachte er bitter.
Lies Bücher. So einfach ist das.
Ein Buch ist die einzige wirkliche Flucht aus dieser gefallenen Welt.
J.R. Moehringer
13. Kapitel
Lucy hoffte, dass Marie ans Telefon ging. Sie hatte sich alles genau überlegt. Sie stand in einer Telefonzelle mitten in Cardiff und musterte die Menschen, die geschäftig an ihr vorbeieilten. Nach dem Besuch in der Bibliothek hatte sie sich in einen Bus gesetzt und war kreuz und quer durch die Stadt gefahren. Sie brauchte Hilfe. Allein kam sie nicht weiter, also musste sie das Risiko eingehen. Allerdings traute sie sich nicht, die Handys ihrer Freunde oder in der WG anzurufen. Blieb nur die Bibliothek. Noch einmal ertönte das Freizeichen in der Leitung und Lucy wollte resigniert auflegen, als am anderen Ende abgenommen wurde.
Maries atemlose Stimme erklang. »Londoner Bibliothek, St. James Square.«
»Ich bin es, Lucy«, rief diese in den Hörer, als sie die vertraute Stimme hörte.
»Oh Gott. Lucy. Wo bist du. Wir machen uns solche Sorgen. Sag schon. Geht es dir gut?«
»Ja«, rief Lucy in den Apparat und unterbrach den Redefluss ihrer Freundin. »Es ist alles in Ordnung. Na ja fast alles. Ich kann es jetzt nicht erklären. Ich brauche eure Hilfe. Wir müssen uns sehen. Erinnerst du dich an unseren Ausflug im Sommer?«
Marie setzte gerade an, als Lucy sie unterbrach. »Psst sag jetzt nichts. Ich habe keine Ahnung, ob jemand mithört.«
»Also ehrlich, Lucy. Wir sind nicht bei James Bond. Aber meinetwegen.« Lucy sah Marie vor sich, wie sie ihr blondes Haar schüttelte.
»Ich bin am Samstagnachmittag dort um drei Uhr. Denkt euch etwas aus, wie ihr ungesehen hinkommt. Passt auf, dass euch niemand folgt. Hörst du? Das ist wichtig, Marie. Nimm das nicht auf die leichte Schulter. Du solltest Batiste de Tremaine nicht unterschätzen. Ich brauche etwas Geld und ein paar Klamotten.«
»Wird erledigt. Keine Sorge. Ich bin so froh, dass du dich gemeldet hast.«
»Ich lege jetzt auf, Marie«, sagte Lucy zögernd.
»Pass auf dich auf, Kleines. Ja?«
»Mach ich«, antwortete Lucy und hängte ein.
*********
Marie verabredete sich mit Colin und Jules in einem Pub in der Innenstadt. Sie hoffte, dass sie in dem sie umgebenden Lärm ungestört Pläne für ihr Treffen mit Lucy schmieden konnten. Sie erzählte den beiden von Lucys Anruf. »Ich habe nicht mal gefragt, wo sie ist«, schloss sie ihre Ausführungen.
»Und wo Nathan ist.
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