Gesponnen aus Gefuehlen
verlangte.« Sie schwieg einige Sekunden, bevor sie weitersprach, und zeichnete mit einem Finger unsichtbare Muster auf den Tisch.
»Ich habe versucht, ihm die Mutter zu ersetzen, aber natürlich ging das nicht. Trotzdem habe ich mein Bestes gegeben. Ich konnte ihn nicht verlassen, aber wenn ich ihm gesagt hätte, was Batiste seinen Eltern und ihm angetan hat, hätte er mir nie geglaubt. Er hat diese Nacht verdrängt und Batiste hat ihm Jahre später erzählt, dass seine Eltern ihn verlassen haben. Ein Wort von mir, und Nathan wäre zu Batiste gegangen. Er hätte uns fortgejagt. Ich hatte aber versprochen, mich um Nathan zu kümmern. Verstehst du das?«
»Ja. Jetzt verstehe ich. Aber nun ist er erwachsen. Wir müssen es ihm sagen. Er hat ein Recht darauf.«
»Du bist sehr tapfer, Lucy. Weißt du das?«
»Ich bin nicht tapfer. Ich habe Angst wie noch nie in meinem Leben. Aber ich muss dem Ganzen ein Ende machen. Ich kann mich nicht verkriechen. Sie würden mich suchen, das wissen Sie so gut wie ich. Ich wäre nirgendwo sicher.«
»Da hast du recht. Hast du einen Plan? Wo schläfst du heute Nacht?«
»Ich habe eine Adresse für ein B&B in der Nähe.«
»Das ist zu gefährlich. Ich habe eine andere Idee. Dafür müssen wir dein Auto verstecken. Ich gehe jetzt. Warte noch fünf Minuten, dann folgst du mir die Hauptstraße hinunter. Fahr einfach hinter mir her.«
»Gut.«
Lucy fragte sich, was Sofia vorhatte, und ob ihr Plan durchdacht war. Trotzdem tat sie, was diese vorgeschlagen hatte. Sie fuhren aus dem Dorf hinaus und folgten der Landstraße, die sich fort vom Meer ins Inland hinein schlängelte. Nach einer Viertelstunde bog Sofia in eine schmale Straße ein, die zu einem Cottage führte. Vor den Stallungen neben dem Haupthaus kamen sie zum Stehen. Als Sofia ausstieg, trat ein älterer Mann aus dem Stall. Obwohl sein Gesicht deutlich wettergegerbter war, als das von Sofia, war die Familienähnlichkeit nicht zu übersehen.
»Das ist mein Bruder Jake«, stellte Sofia ihn vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Jake musterte Lucy mit himmelblauen wissenden Augen. »Ist sie das?«, fragte er seine Schwester.
Sofia nickte. »Sie hat deinen Wagen zurückgebracht«
»Das ist Ihrer?«, fragte Lucy erstaunt.
»Ich habe ihn Sofia geliehen. Sie hat mir allerdings nicht verraten, was sie damit vorhatte. Ich dachte schon, ich sehe ihn nie wieder.«
»Er hat eine Beule vorn«, sagte Lucy entschuldigend. »Ich bezahle Ihnen das, versprochen.«
»Kein Problem.« Jake winkte ab.
»Was hast du mit dem Mädchen vor?«, wandte er sich an seine Schwester. »Ich hoffe, du tust nichts Unvorsichtiges.«
»Wir haben das so oft besprochen, Jake. Es ist an der Zeit, dass Nathan die Wahrheit erfährt.«
»Wenn du meinst.« Seine trotz des Herbstes immer noch braun gebrannte Stirn furchte sich sorgenvoll.
Er nahm Lucy den Autoschlüssel ab. »Sie wollen sich mit den Männern anlegen? Unterschätzen Sie Batiste und seinen Bund nicht«, warnte er sie. »Sie sind zu allem fähig.«
Lucy schluckte schwer und nickte. Sie wünschte, einmal auf jemanden zu treffen, der ihr nicht nur von dem Vorhaben abriet, sondern sie bestärkte. Konnte es sein, dass sie viel zu naiv an die Sache heranging? Immerhin hatte Batiste bereits mehrere Menschen auf dem Gewissen. Es würde ihn ein Lächeln kosten, auch sie zu vernichten, oder was schlimmer war, sie einzusperren und zu missbrauchen. Lucy begann zu zittern, als ihr unmissverständlich klar wurde, was Sofias Worte in dem Café bedeutet hatten. Sie schlang ihre Arme um sich.
»Na, na.« Jake zog sie an seine breite warme Brust, die tröstlich nach Heu roch. »Du bist nicht allein, Mädchen. Du kannst auf uns zählen. »Das wird schon. Irgendwann muss das mal vorbei sein.«
»Wir sollten jetzt fahren«, sagte Sofia. »Harold macht sich sonst Sorgen, wo ich bleibe.«
»Harold macht sich immer Sorgen«, erwiderte Jake. Er ließ Lucy los und schob sie zu Sofias Auto.
»Du musst dich auf der Rückbank verstecken«, erklärte Sofia. Lucy und Jake blickten sie verdutzt an.
»In die Streichholzschachtel passe ich doch nie.«
Sofia schnaubte empört. »Der Wagen ist ein Raumwunder und du bist nicht besonders riesig. Ich habe da schon andere Sachen reinbekommen.«
Jake schmunzelte und öffnete die Tür.
»Beleidige bloß nie ihr Auto«, flüsterte er.
»Was haben Sie eigentlich vor?«, fragte Lucy.
»Ich nehme dich mit zu mir nach Hause«, antwortete diese, als sei das das Natürlichste der
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