Gesponnen aus Gefuehlen
Geschirr zu Boden und zersprang. Er drehte sich um und sah zu Sofia, der eine Kaffeetasse aus der Hand gefallen war. Nathan runzelte die Stirn. Sofia war sonst alles andere als ungeschickt.
»Verzeihung«, murmelte sie und Nathan beobachtete, wie sie die Scherben aufsammelte.
»Hast du gehört, Junge?«, fragte Batiste ungeduldig.
»Ja. Ja, natürlich. Wie du meinst, Großvater«, antwortete Nathan zerstreut.
»Sie wird dir gefallen. Sie ist ein zurückhaltendes Mädchen. Nicht sehr ansehnlich, aber gefügig, wenn man ihrem Vater glauben darf. Sie wird dir keinen Ärger machen.«
Das arme Geschöpf, dachte Nathan bei der Beschreibung, zog es aber vor zu schweigen.
Nachdem sie den Kaffee getrunken hatten, den Sofia mit einiger Verzögerung gebracht hatte, bat Nathan darum, sich zurückziehen zu dürfen. Die Stunden vor dem Schlafengehen gehörten ihm. In den letzten Tagen hatte er versucht, aus dem Notizbuch seines Großvaters schlau zu werden. Bis jetzt leider ohne Ergebnis. Sein Großvater hatte die kryptische Schrift in das Büchlein übertragen. In dem Notizbuch gab es eine Tabelle, auf deren einer Seite diese merkwürdigen Zeichen standen. In der anderen Spalte waren Buchstaben notiert, manchmal einer, oft mehrere. Offenbar war Batiste nicht sicher gewesen, was die Zeichen bedeuteten. Im hinteren Teil des Heftes fand Nathan kleine Texte mit Übersetzungsversuchen. Meistens ergaben diese Texte keinerlei Sinn und Nathan fragte sich, weshalb sein Großvater sich diese Mühe gemacht hatte. Es gab auch einige Zeichnungen, die denen im Buch entsprachen, wenn Nathan seine Erinnerung nicht trog. Batiste hatte Pflanzen und Sternenbilder übertragen. Leider fand Nathan keinerlei Hinweise darauf, dass Batiste mithilfe des Buches Schwarze Magie erlernt hatte. Er musste das Buch noch einmal ansehen, aber diese Gelegenheit hatte sich bisher nicht ergeben. Jeden Tag wurde er in die Bibliothek des Hauses gesperrt, mit Sirius als Wächter davor. Ihm blieb nichts anderes übrig, als zu zeichnen und die Bücher auszulesen, die sein Großvater schicken ließ. Er versuchte, besonders behutsam dabei vorzugehen und langsam zu arbeiten, trotzdem wurde das schlechte Gewissen, das Lucy ihm eingepflanzt hatte, von Tag zu Tag größer. Es dauerte nicht mehr lange und er würde sich selbst verabscheuen. Im Grunde tat er es jetzt schon.
Ein Geräusch unterbrach seine Gedanken. Nathan lauschte. Da war es wieder. Jemand warf Steinchen an sein Fenster. Nathan stand auf und öffnete es. Sofia stand, in eine warme Strickjacke gehüllt, auf dem schmalen Kiesweg unter ihm.
»Sofia. Was machst du da?«, rief er.
»Wir müssen reden«, flüsterte sie, sodass er Mühe hatte, sie zu verstehen.
»Was gibt es? Pass auf, dass dich niemand sieht.«
»Lucy ist hier.«
Nathan glaubte, sich verhört zu haben. »Sag, dass das nicht wahr ist«, zischte er.
Doch Sofia nickte. »Drüben bei uns im Haus.«
Nathan holte tief Atem und ließ seinen Blick zum Himmel schweifen. Weshalb konnte diese Frau nicht einfach tun, was man ihr sagte. Weil sie nicht, wie hatte sein Großvater es genannt, gefügig war. Nathan wandte seinen Blick wieder zu Sofia. Sie war verschwunden. Stattdessen sah er Orions bullige Gestalt den Pfad entlangkommen. Nathan zog sich vom Fenster zurück und hoffte, dass Orion weder Sofia noch ihn bemerkt hatte.
Es musste ihm gelingen, zu Sofias Haus zu kommen, am besten noch heute Nacht. Er musste herausfinden, was Lucy hier tat. War sie lebensmüde? Sie musste schleunigst wieder fort. Dieser Ort war zu gefährlich. Weshalb war sie gekommen? Hatte er sie nicht ausreichend gewarnt? Sie musste doch Angst haben. So viele Menschen hatte sein Großvater bereits auf dem Gewissen und sie spazierte einfach hier herein. Was hatte Sofia sich dabei gedacht. Andererseits schien sie sich bester Gesundheit zu erfreuen, immerhin etwas. Nathan schüttelte lächelnd den Kopf. Ob sie wegen ihm gekommen war? Ob sie sich um ihn gesorgt hatte? Er starrte in den Spiegel, der über einer der Kommoden in seinem Zimmer hing. Er war ein Narr, natürlich war sie nicht seinetwegen hier. Es war wegen der Bücher, deshalb war sie gekommen. Sie wollte sie befreien und sie hoffte, dass er ihr half. Weshalb auch sonst. Er lachte kurz auf. Für alles andere hatte sie schließlich schon einen Beschützer. Er ballte seine Fäuste und tigerte in dem Raum auf und ab. Trotzdem würde er versuchen hinüberzugelangen. Er musste ihr sagen, dass sie verschwinden sollte. Noch
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