Geständnis unterm Mistelzweig
umgegangen waren, eine eigene Familie zu haben. Er hätte jetzt gern angehalten, Chloe in die Arme genommen und ihr gesagt, sie habe nun eine Familie, nämlich ihn und seine Eltern und Brüder, und das für immer. Stattdessen fuhr er stumm weiter. Chloe schloss die Augen und entspannte sich.
3. KAPITEL
“F ünfzehn Dollar, drei Schokoladenriegel und einen Geschenkgutschein für den Schnellimbiss für jedes Mädchen. Dazu zwei Taschenbücher. Neue Mäntel für diejenigen, die sie benötigen. Pullover -- und was sonst noch? Jeans für die anderen? Oder was meinst du, Chloe?”
“Auf keinen Fall Jeans!” entfuhr es Chloe. Sie schaute auf und merkte, dass Martha sie verwundert ansah. “Tut mir Leid, ich wollte das nicht so heftig sagen.”
“Was ist an Jeans auszusetzen?”
An Jeans war überhaupt nichts auszusetzen, wohl aber an Chloes Weihnachtserinnerungen. Sie verzog das Gesicht. “Lass uns etwas Schöneres aussuchen.”
Martha beugte sich wieder über ihre Liste. “Was zum Beispiel?”
Die Besprechung dauerte schon den ganzen Vormittag. Chloe stellte sich vor, dass es, hätte sie jemals eigene Kinder, für sie ein Vergnügen wäre, Geschenke auszusuchen. Im Heim wurden nur wenige Beschlüsse ohne die Zustimmung der gesamten Leitung getroffen. Deshalb lief die Arbeit hier auch so gut. Aber manchmal fielen auf diese Weise selbst kleinste Entscheidungen sehr schwer.
“Vielleicht Schmuck?” schlug sie vor. “Armbänder mit Initialen? Ketten oder Anhänger? Einfache Ohrringe für die Mädchen mit Löchern in den Ohrläppchen?”
“Bunny möchte die Ohrläppchen durchstochen haben, und sie wünscht sich Rubinohrringe.”
“Die sind viel zu teuer”, wandte Chloe ein.
“Alles ist viel zu teuer.”
“Bei den Mänteln bekommen wir einen guten Preis. Zwei Geschäfte haben uns einen Preisnachlass versprochen.”
“Das sind wahrscheinlich Mäntel aus der letzten Saison.”
“Im Stil hat sich seit letztem Jahr nicht viel geändert. Den Mädchen wird das gar nicht auffallen.”
“Dass ich nicht lache.”
Jemand klopfte an die Bürotür. Von draußen war ein Kichern zu hören. “Komm herein”, rief Chloe.
Mona öffnete die Tür gerade weit genug, um die Nase ins Zimmer stecken zu können. “Ich bekomme einen Punkt auf meiner Liste. Ich erledige gerade etwas.”
Chloe unterdrückte ein Lächeln. “Erledige das zuerst und bitte dann erst um den Punkt.”
“Da unten ist jemand, der dich sprechen möchte.” Mona sah Chloe an. “Es ist eine Dame. Sie sagt, sie heißt Mrs. O’Brien. Sie sagt, sie sei Egans Mutter. Ist Egan nicht schon zu alt, um eine Mutter zu haben?”
“Ich habe auch eine Mutter”, erklärte Martha.
Monas Augen wurden größer. Doch überraschenderweise hatte sie es irgendwo gelernt, zu Marthas Erklärung keinen Kommentar abzugeben. Chloe nahm sich vor, ihr dafür zwei Punkte zu geben. “Sagst du ihr bitte, dass ich gleich herunterkomme?”
“Klar. Übrigens, sie gibt uns Weihnachtskekse. Ich möchte mir meine nicht entgehen lassen.”
Chloe vermutete, dass Mona ihren Anteil bereits zweifach erhalten hatte. “Sorg dafür, dass Jenny etwas abbekommt.”
Mona verdrehte die Augen. “Aber das habe ich doch schon getan.”
Chloe konnte nicht widerstehen. Sie stand auf und umarmte Mona ganz spontan. “Ich mag dich wirklich, Mona.”
“Das sagst du dauernd.”
“Sie mag dich auch”, sagte Martha zu Chloe, als Mona gegangen war. “Seit du Sonntag mit ihr geredet hast, gibt sie sich sehr viel mehr Mühe.”
“Ich habe ihr gesagt, dass ich sie in das kleinste Zimmer im Haus stecken werde, wenn sie sich nicht zusammennimmt.”
“Oh weh!”
“Ja, das habe ich gesagt.”
“Lass deinen Besuch nicht warten. Ich schließe die Liste ab und werde mal herumtelefonieren, um die Preise zu erfahren.”
Bevor Chloe ins Erdgeschoss kam, wurde sie dreimal aufgehalten. Dottie hatte gerade den letzten Beutel mit Keksen verteilt, als Chloe sie in der Küche fand. Sie begoss eine Pflanze auf der Fensterbank, so als habe sie schon immer in diesem Haus gewohnt.
“Was für eine nette Überraschung”, sagte Chloe, und sie meinte das wirklich.
Dottie begrüßte sie mit einer Umarmung. Chloe erwiderte die Umarmung wie selbstverständlich.
“Ich wollte Sie fragen, ob Sie Zeit haben, mit mir Weihnachtseinkäufe zu machen, Chloe.”
“Gleich jetzt?”
“Ich weiß, dass Sie viel zu tun haben.”
Offiziell hatte Chloe am Mittwochnachmittag frei, aber das nutzte sie nur selten
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