Geständnis
witzig.“
„ Gib das Video vorerst nicht raus, Robbie“, sagte Richter
Henry. „Zeig es dem Gericht und dem Gouverneur, aber geh damit
nicht an die Öffentlichkeit.“
„ Das Video habe ich unter Rontrolle, Mr. Boyette dagegen nicht.
Wenn er mit der Presse reden will, kann ich ihn nicht davon
abhalten. Er ist schließlich nicht mein Mandant.“
Ab Donnerstag, 14.30 Uhr, wurde jede Kirche in Slone, egal ob
schwarz oder weiß, von Pastoren, Diakonen und Lehrern der
Sonntagsschule bewacht. Es waren ohne Ausnahme Männer, und sie
waren schwer bewaffnet und bemüht, möglichst viel Präsenz zu
zeigen. Sie saßen auf den Treppen der Kirchen und unterhielten sich
miteinander, die Gewehre über das Knie gelegt. Sie saßen im
Schatten von Bäumen in der Nähe der Straße und winkten den
vorbeifahrenden Autos zu, von denen viele aus Solidarität hupten.
Sie behielten Hintertüren und abgelegene Ecken im Auge, rauchten,
kauten Tabak, achteten auf jede Bewegung. In Slone würde niemand
mehr eine Kirche anzünden.
Die Entkörnungsanlage für Baumwolle war vor zwei Jahrzehnten
aufgegeben worden, man hatte sie durch eine neue im Osten der Stadt
ersetzt. Die alte war verfallen und ein Schandfleck, und unter
normalen Umständen hätte niemand etwas gegen ein ordentliches Feuer
einzuwenden gehabt. Der Notruf ging um 14.44 Uhr ein. Ein Teenager,
der an der Anlage vorbeifuhr, sah dichten Rauch und griff zu seinem
Mobiltelefon. Die schwer geprüfte Feuerwehr raste zu der Anlage.
Bei ihrer Ankunft züngelten die Flammen schon durch das Dach. Da
das Gebäude leer stand und ohnehin kein großer Verlust war, ließ
man sich mit dem Löschen Zeit.
Schwarzer Rauch wallte in den Himmel. Der Bürgermeister konnte
ihn von seinem im ersten Stock gelegenen Büro aus sehen. Nachdem er
sich kurz mit dem Polizeichef beraten hatte, rief er im Büro des
Gouverneurs an. Es sei unwahrscheinlich, dass sich die Lage in
Slone beruhige. Die Bürger seien in Gefahr. Die Nationalgarde müsse
her.
Chapter
23
Der Antrag wurde kurz vor fünfzehn Uhr fertig und bestand
einschließlich Boyettes eidesstattlicher Erklärung aus dreißig
Seiten. Boyette hatte schriftlich geschworen, dass er die Wahrheit
gesagt habe. Sammie Thomas schickte den Antrag per E-Mail an die
Defender Group in Austin. Die Mitarbeiter dort warteten schon
darauf. Er wurde ausgedruckt, zwölfmal kopiert und an Cicely Avis
weitergegeben, die aus dem Büro rannte, in ihr Auto stieg und quer
durch die Stadt zum Texas Court of Criminal Appeals raste. Der
Antrag wurde um 15.35 Uhr eingereicht.
„ Was ist das?“, fragte der Leiter der Geschäftsstelle und hielt
eine DVD hoch.
„ Eine Aufnahme vom Geständnis des wahren Mörders“, erwiderte
Cicely.
„ Interessant. Dann gehe ich davon aus, dass die Richter das
möglichst schnell sehen sollen.“
„ Sofort, bitte.“
„ Ich kümmere mich darum.“
Sie unterhielten sich noch ein paar Sekunden lang, dann
verließ Cicely die Geschäftsstelle. Deren Leiter brachte den Antrag
sofort in die Büros der neun Richter. Im Büro des Vorsitzenden
Richters sprach er dessen Assistenten an. „Dieses Video sollten Sie
sich gleich ansehen. Irgend so ein Typ hat den Mord
gestanden.“
„ Und wer ist der Typ?“, fragte der Assistent.
„ Er sitzt gerade in der Ranzlei von Donte Drumms Anwalt in
Slone. Hat mir die Anwältin der Defender Group erzählt.“
„ Robbie Flak hat also tatsächlich einen neuen Zeugen
gefunden?“
„ Sieht ganz so aus.“
Nachdem Cicely Avis das Gebäude des TCCA verfassen hatte,
musste sie eine Umleitung fahren und kam zwei Häuserblocks weiter
am State Capitol vorbei. Die „Rundgebung für Donte“ auf dem Rasen
vor dem Capitol war gut besucht. Überall war Polizei. Eine
Genehmigung war erteilt worden - der erste Verfassungszusatz, der
den Bürgern das Recht auf Meinungsfreiheit garantierte, schien
perfekt zu funktionieren.
Die Teilnehmer an der Rundgebung, von denen fast alle schwarz
waren, strömten in Massen auf den Rasen. Die Genehmigung galt für
drei Stunden, von fünfzehn bis achtzehn Uhr, dem Moment der
Hinrichtung, doch es sah ganz danach aus, als würde man dem
Zeitplan etwas hinterherhinken - in Austin, aber mit Sicherheit
nicht in Huntsville.
Der Gouverneur war in einer Besprechung. Sie war wichtig und
hatte nichts mit Donte Drumm zu tun. Das Video ging um 15.11 Uhr
bei einer Assistentin ein, die für die Anträge zuständig war, mit
denen der Aufschub einer Hinrichtung erreicht
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