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Geständnis

Titel: Geständnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bernd
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gesiegt.
     
    Normalerweise tranken sie Knob Creek, doch bei besonderen
Anlässen wurde der teure Bourbon aus der Schreibtischschublade
geholt. Nach einem Schluck Pappy Van Winkle nickten alle
anerkennend. Sie waren etwas zu früh dran, doch der Gouverneur
hatte gesagt, er brauche jetzt etwas Hochprozentiges. Zu einem
feinen Tropfen sagten Barry und Wayne nie Nein. Sie hatten ihre
Jacketts abgelegt, die Hemdsärmel aufgerollt und die Krawatten
gelockert - vielbeschäftigte Männer, die wichtige Entscheidungen zu
treffen hatten. Sie standen vor einem Sideboard in einer Ecke des
Büros, tranken ihren Bourbon und sahen sich die Kundgebung vor dem
State Capitol auf einem kleinen Fernseher an. Hätten sie das
Fenster geöffnet, dann hätten sie den Lärm der Demonstranten hören
können. Ein Redner nach dem anderen griff in langatmigen, beißenden
Reden die Todesstrafe, den Rassismus und das texanische
Justizsystem an. Der Begriff „gerichtlich sanktionierter Lynchmord“
wurde oft und gern benutzt. Bis jetzt hatte jeder Redner gefordert,
dass der Gouverneur einen Aufschub der Hinrichtung anordnete. Die
Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer an der Kundgebung auf
zehntausend.
    Hinter dem Rücken des Gouverneurs tauschten Barry und Wayne
besorgte Blicke aus. Wenn die Menge von dem Video erführe, würde es
zu schweren Tumulten kommen. Sollten sie es ihm sagen? Nein, später
vielleicht.
    „ Gill, wir müssen entscheiden, ob wir die Nationalgarde rufen
oder nicht.“
    „ Wie sieht die Lage in Slone aus?“
    „ Stand vor dreißig Minuten war, dass zwei Kirchen angezündet
worden sind, eine von Weißen und eine von Schwarzen. Inzwischen
brennt ein leerstehendes Gebäude. An der Highschool wurde der
Unterricht abgesagt, nachdem es am Vormittag zu Schlägereien
gekommen ist. Die Schwarzen haben Demonstrationen organisiert und
suchen nach Ärger. Jemand hat einen Ziegelstein durch die
Heckscheibe eines Streifenwagens geworfen, aber bis jetzt ist es
nicht zu weiteren Gewalttaten gekommen. Der Bürgermeister hat Angst
und glaubt, dass die Situation in der Stadt nach der Hinrichtung
eskalieren könnte.“
    „ Wer ist abrufbar?“
    „ Die Einheit in Tyler macht sich gerade fertig und ist in einer
Stunde einsatzbereit. Sechshundert Soldaten. Das dürfte
reichen.“
    „ Fordere sie an und gib eine Pressemeldung raus.“
    Barry eilte aus dem Büro. Wayne trank noch einen Schluck und
sagte etwas zögerlich: „Gill, sollten wir nicht zumindest in
Erwägung ziehen, die Hinrichtung für dreißig Tage aufzuschieben?
Vielleicht wäre es besser, zu warten, bis die Situation sich wieder
etwas beruhigt hat.“
    „ Himmel, nein. Wir können doch keinen Rückzieher machen, nur
weil die Schwarzen sich ein bisschen aufregen. Wenn wir jetzt
Schwäche zeigen, schreien sie das nächste Mal umso lauter. Und wenn
wir dreißig Tage warten, fängt die ganze Scheiße dann von vorn an.
Mein Entschluss steht fest. Du solltest mich besser
kennen.“
    „ Okay, okay. Ich wollte es nur mal erwähnt haben.“
    „ Erwähn es nicht nochmal.“
    „ In Ordnung.“
    „ Da haben wir ihn ja“, sagte der Gouverneur und machte einen
Schritt auf den Fernseher zu.
    Die Menge brach in lauten Jubel aus, als Reverend Jeremiah
Mays auf das Podium trat. Unter den radikalen Schwarzen des Landes
war er zurzeit derjenige, der am meisten Lärm machte, und sehr
geschickt darin, sich in jeden Konflikt und in jedes Ereignis
einzumischen, bei dem es um die Hautfarbe ging. Er hob die Hände,
bat um Ruhe und setzte zu einem blumigen Gebet an, in dem er Gott
den Allmächtigen anflehte, sich der armen, fehlgeleiteten Seelen
anzunehmen, die den Staat Texas regierten, ihnen die Augen zu
öffnen, ihnen Weisheit zu gewähren und ihre Herzen zu berühren, auf
dass diese zum Himmel schreiende Ungerechtigkeit verhindert werden
könne. Er verlangte die Hand Gottes, ein Wunder, die Rettung des
Bruders Donte Drumm.
    Als Barry wiederkam, füllte er ihre Gläser nach. Seine Hand
zitterte merklich. „Jetzt reicht es aber mit diesem Unsinn“, sagte
der Gouverneur und schaltete den Ton aus. „Ich will es mir nochmal
ansehen“, meinte er dann. Sie hatten „es“ schon mehrmals zusammen
gesehen, und jedes Mal waren sämtliche noch vorhandenen Zweifel
zerstreut worden. Sie gingen zur anderen Seite des Büros, wo ein
zweiter Fernseher stand, und Barry nahm die Fernbedienung in die
Hand.
    Donte Drumm, 23. Dezember 1998. Der Junge saß vor einer
Videokamera, eine Dose Cola und einen Donut

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