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Geständnis

Titel: Geständnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bernd
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einen
perfekten Publicity-Trick abzuziehen, mit dem er in Zukunft jede
Wahl gewinnen würde.
     

Chapter
24
     
    Die letzte Mahlzeit, der letzte Spaziergang, die letzten
Worte. Donte hatte nie verstanden, warum die Details so wichtig
waren. Was war so faszinierend daran, was ein Mann wenige Stunden
vor seinem Tod aß? Schließlich tröstete einen das Essen nicht, und
es konnte weder den Körper stärken noch das Unvermeidliche
hinauszögern. Die letzte Mahlzeit würde schon sehr bald zusammen
mit dem Körper in der Erde verrotten oder eingeäschert werden. Wozu
war sie dann gut? Warum verwöhnte man einen Menschen kurz vor der
Hinrichtung mit Speisen, die ihm vielleicht sogar noch schmeckten,
nachdem man ihm jahrelang Schweinefraß vorgesetzt hatte?
    Donte konnte sich vage an seine erste Zeit im Todestrakt
erinnern und an sein Entsetzen darüber, was er dort essen sollte.
Er war von einer Frau großgezogen worden, die leidenschaftlich gern
kochte. Zwar benutzte Roberta zu viel Fett und Mehl, aber sie baute
ihr Gemüse selbst an und war vorsichtig mit industriell
verarbeiteten Lebensmitteln. Sie verwendete Kräuter und Gewürze,
und ihre Fleischgerichte waren kräftig gewürzt. Das erste Fleisch,
das man Donte im Todestrakt vorgesetzt hatte, war angeblich eine
Scheibe Schweinebraten gewesen, hatte aber nach nichts geschmeckt.
Er hatte noch in derselben Woche den Appetit verloren und nie
wieder mit Lust gegessen.
    Und jetzt, am Ende seines Lebens, erwartete man von ihm, dass
er sich ein Festessen bestellte und auch noch dankbar war dafür. So
albern es auch war, die meisten Häftlinge beschäftigten sich lange
und ausführlich mit ihrer letzten Mahlzeit. Es gab sonst kaum etwas
anderes, über das sie nachdenken konnten. Donte hatte schon vor
Tagen beschlossen, nichts zu essen, was auch nur im Geringsten
etwas mit den Gerichten zu tun hatte, die seine Mutter immer
gekocht hatte. Daher bestellte er eine Pizza mit Salami und ein
Glas Root Beer. Das Essen kam um sechzehn Uhr. Es wurde von zwei
Wärtern auf einem kleinen Rollwagen in die Zelle geschoben. Donte
sagte kein Wort, als sie wieder gingen. Er war den Nachmittag über
immer mal wieder eingenickt, während er auf seine Pizza und auf
seinen Anwalt gewartet hatte. Und auf ein Wunder. Um sechzehn Uhr
hatte er das Warten auf ein Wunder aufgegeben.
    Im Korridor, direkt vor den Gitterstäben seiner Zelle, stand
sein Publikum, das ihn schweigend beobachtete. Ein Wärter, ein
Gefängnisbeamter und der Kaplan, der schon zweimal versucht hatte,
mit ihm zu reden. Donte hatte das Angebot auf geistlichen Beistand
jedes Mal abgelehnt. Er war sich nicht sicher, warum man ihn so
genau im Auge behielt, nahm aber an, dass es darum ging, einen
Selbstmord zu verhindern. Wie er es anstellen sollte, sich in
seiner von außen einsehbaren Zelle umzubringen, war ihm allerdings
nicht klar. Wenn Donte Selbstmord hätte begehen wollen, hätte er
das schon vor Monaten tun müssen. Und jetzt wünschte er sich, er
hätte es getan. Dann wäre er schon tot, und seine Mutter könnte
nicht dabei zusehen, wie er starb.
    Für einen Gaumen, der durch Weißbrot, geschmackloses Apfelmus
und eine wahre Flut von Formfleisch neutralisiert worden war,
schmeckte die Pizza erstaunlich gut. Er aß sie langsam.
    Ben Jeter trat an die Gitterstäbe und fragte: „Wie ist die
Pizza?“
    Donte sah den Gefängnisdirektor nicht an. „Gut“, erwiderte er
leise.
    „ Brauchen Sie sonst noch etwas?“
    Er schüttelte den Kopf. Ich brauche vieles, aber du kannst mir
nichts davon geben. Und wenn du es könntest, würdest du es nicht
tun. Also lass mich in Ruhe.
    „ Ich glaube, Ihr Anwalt ist auf dem Weg.“
    Donte nickte und nahm ein weiteres Stück Pizza.
     
    Um 16.21 Uhr lehnte der Fifth Circuit Court of Appeals in New
Orleans einen Aufschub der Hinrichtung ab, der mit der Begründung
beantragt worden war, Donte sei geisteskrank. Unmittelbar darauf
beantragte die Kanzlei Flak am U.S. Supreme Court die Erteilung
eines writ of certiorari, kurz cert. Damit sollte erreicht werden,
dass der Supreme Court das Verfahren an sich zog und die
Erfolgsaussichten des Antrags prüfte. Wurde ein cert verteilt,
musste die Hinrichtung aufgeschoben werden. Damit wäre Zeit
gewonnen, um weitere Anträge und Schriftsätze einzureichen und
abzuwarten, bis sich die Aufregung etwas gelegt hatte. Wurde ein
cert abgelehnt, war der Antrag gestorben - und damit aller
Wahrscheinlichkeit nach auch der Antragsteller. Es gab kein anderes
Gericht

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