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Geständnis

Titel: Geständnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bernd
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würden Sie sich noch eine Hinrichtung
ansehen?“
    „ Das habe ich nicht gesagt, Travis.“ Es war eine Frage, auf die
Keith keine Antwort hatte. Seine erste Hinrichtung machte ihm
schwer zu schaffen, eine zweite mochte er sich gar nicht
vorstellen. Vor wenigen Stunden, Augenblicke bevor er endgültig
eingeschlafen war, hatte er das Bild des auf die Liege geschnallten
Dontes vor sich gesehen und alles wie in Zeitlupe noch einmal
erlebt. Er erinnerte sich, wie er auf Dontes Brust gestarrt hatte,
die sich leicht hob und senkte. Hob und senkte. Ein kaum merkliches
Auf und Ab. Und dann hörte es auf. Er hatte soeben den letzten
Atemzug eines Menschen gesehen. Keith wusste, dass ihn das Bild für
den Rest seines Lebens verfolgen würde.
    Im Osten war der Himmel heller. Sie überquerten die Grenze
nach Oklahoma.
    „ Das war wohl mein letzter Besuch in Texas“, sagte
Boyette.
    Keith fiel keine Entgegnung ein.
    Der Hubschrauber des Gouverneurs landete um neun Uhr morgens.
Da die Medien rechtzeitig im Voraus unterrichtet worden waren und
gespannt warteten, waren die Einzelheiten der Landung ausführlich
mit Barry und Wayne erörtert worden. Unterwegs einigten sie sich
schließlich auf den Parkplatz am Footballfeld. Die Medien wurden in
letzter Minute informiert und rasten zur Slone High School, um nur
ja nichts zu verpassen. Die Pressekabine war verkohlt und schwer
beschädigt, das Feuer schwelte. Die Feuerwehr war noch vor Ort, um
Ordnung zu schaffen. Als Gill Newton aus seinem Chopper auftauchte,
wurde er von Polizeibeamten, Offizieren der Nationalgarde und
einigen ausgewählten müden Feuerwehrleuten empfangen. Angesichts
seines herzlichen Händedrucks hätte man glauben können, er hätte
aus der Schlacht heimgekehrte Marines vor sich. Barry und Wayne
erkundeten eilig die Umgebung und organisierten die Pressekonferenz
so, dass im Hintergrund das Footballfeld und - besonders wichtig -
die ausgebrannte Pressekabine zu sehen waren. Der Gouverneur trug
Jeans, Cowboystiefel, ein Hemd ohne Krawatte und eine Windjacke,
ein echter Mann des Volkes.
    Mit besorgter Miene, aber voller Enthusiasmus stellte er sich
Kameras und Reportern. Er verurteilte Gewalt und Unruhen. Und er
versprach, die Bürger von Slone zu schützen. Dafür werde er weitere
Kräfte der Nationalgarde zu Hilfe rufen und, wenn nötig, die
gesamte texanische Nationalgarde mobilisieren. Er sprach über
Gerechtigkeit nach texanischer Art. Das würzte er mit einer Prise
rassistischer Provokation, indem er die Führer der Schwarzen
aufforderte, die Hooligans unter Kontrolle zu bringen. Zu den
weißen Unruhestiftern äußerte er sich nicht. Nachdem er seiner
Empörung ausgiebig Luft gemacht hatte, kehrte er den Mikrofonen den
Rücken, ohne Fragen zu beantworten. Weder er noch Barry noch Wayne
wollten sich mit der Boyette-Geschichte
auseinandersetzen.
    Eine Stunde lang brauste er in einem Streifenwagen durch
Slone, hielt immer wieder an, um mit Soldaten und Polizisten einen
Kaffee zu trinken, sich mit den Bürgern zu unterhalten und mit
finsterer, leidender Miene die Ruinen der First-Baptist-Kirche zu
betrachten. Während der gesamten Zeit liefen die Kameras und
zeichneten den glorreichen Augenblick für künftige Wahlkampagnen
auf.
     
    Nach fünf Stunden hielt die Karawane schließlich an einem
Laden irgendwo auf dem Land nördlich von Neosho, Missouri, dreißig
Kilometer südlich von Joplin. Nach einer Toilettenpause und noch
mehr Kaffee ging es nach Norden, nun mit dem Subaru an der Spitze
und den anderen Fahrzeugen dicht dahinter.
    Boyette war sichtlich nervös, das Zucken war auffälliger
geworden, die Finger trommelten auf dem Stock herum.
    „ Gleich kommt die Abzweigung“, sagte er. „Wir müssen nach links
abfahren.“
    Sie waren auf dem Highway 59 unterwegs, einer zweispurigen
Straße in Newton County mit lebhaftem Verkehr. Am Fuß eines Hügels
bogen sie an einer Tankstelle links ab.
    „ Ich glaube, hier sind wir richtig“, sagte Boyette immer wieder
- offenbar fragte er sich, ob sie sich verfahren hatten. Nun ging
es über eine Landstraße mit Brücken, die über kleine Wasserläufe
führten, scharfen Kurven und steilen Hängen. Die Siedlungen
bestanden überwiegend aus Trailern, zwischen denen gelegentlich ein
quadratischer Backsteinbau aus den fünfziger Jahren
stand.
    „ Ich glaube, hier sind wir richtig“, sagte Boyette.
    „ Sie haben hier in der Gegend gewohnt, Travis?“
    „ Ja, gleich da oben.“ Er nickte und fing dabei an, sich

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