Geständnisse eines graumelierten Herren
Leihwagen nicht scheuend, hatten sich die Schotten nach vergeblichen Anrufen durchgefragt. Solche Anhänglichkeit mit Krisenprogramm zu lohnen, verbot sich von selbst. Nach Umarmung im Schnee schloß Lukas dem sturmgewohnten Paar gerade recht zur Teestunde den Hof auf, wo er sie auf schottische Weise mit Drambuie willkommen hieß.
„Slangevar!“
Daniela und Renate vervollständigten die Freude. Mit Schnellkochplatte, Toaströster, Schneidemaschine, Kühlschrank und Sahnequirler schafften sie den Zeitsprung um rund sechzig Jahre in zehn Minuten. Und sie ließen die Gäste erzählen, von ihren ausgedehnten Ferien, von ihrem Leben auf dem Lande, von der schottischen Herzlichkeit, die Lukas manchmal vermißte. Serag lobte den Tee mit Brunnenwasser, Pixie war von der Einrichtung entzückt und wollte den ganzen Hof sehen. Daniela führte sie erst nach wiederholten Bitten, und Lukas hielt es mit dem Zu-Haus ebenso. Die Raumaufteilung gefiel beiden ungemein, seine Erfindungen für Krisenzeiten nahmen sie gelassen hin. Stromausfälle sind bei ständigem Kaminfeuer und schottischer Bescheidenheit Lappalien. Auch der Anblick der Schafe ließ sie unbewegt — die konnte man ja noch zählen. Ihre Begeisterung galt dem weitausladenden Dach. Ungeachtet dünner Schuhe stapften sie um den Hof herum, zogen sie im Flez aus und kehrten strumpfsocket an den Tisch in der Stube zurück.
„Schön hast du’s hier, Deserteur!“ Serag sagte es leise und mit einem Zwinkern.
Daniela blockte das Thema Bühlhof ab. „Jetzt möchten wir wissen, wie’s bei Ihnen aussieht.“
Zur gewünschten Beschreibung öffnete Pixie ihre Handtasche und holte Fotografien heraus, die sie wohl für diesen Zweck eingesteckt hatte. Lukas kannte ihre stille Umsicht. Pixie hatte einen sehr praktischen sechsten Sinn. Sie ahnte, was sie demnächst brauchen würde, und begann mit den Kindern. Zwei unverkennbar schottische Wu-schelköpfe von wilder Fröhlichkeit, das Mädchen etwas glatter und sanfter mit hellem Blick, alle drei über zwanzig und aus dem Haus. Renate schwieg. Lukas nannte die Namen und bat alle zu grüßen.
„Sie fragen immer, wann du denn wieder kommst.“ Pixie sagte es nebenbei und gab Renate das nächste Bild.
„Nobel, nobel!“ Die Anerkennung auf deutsch kam spontan beim Anblick des behaglichen Herrenhauses aus dem 18. Jahrhundert, ein Adam House mit turmartigem Erker durch zwei Geschosse.
„Das war mein Zimmer.“ Lukas deutete auf zwei Fenster, beschrieb die nähere Umgebung, die Alleinlage, den Wald dahinter, den Rasen davor, der weich hinunterschwingt bis zu den Felsen der Bucht, wo sie oft Krebse gefangen hatten, den Fünf-Minuten-Weg zu seinem späteren Haus, auch das eine Art Zu-Haus mit Kaminen an beiden Giebelseiten, doch ohne Obergeschoß. Er stockte. Ein Blick Danielas machte ihm klar, daß er ins Schwärmen geraten war.
Zur nächsten Außenansicht erläuterte Serag das steilere, kaum überstehende Dach. „Wir haben selten Schnee, dafür viel Wind.“
Pixie zeigte Innenansichten. Die große Diele mit dem Schirmständer, der von Stöcken und Schlägern überquoll, den Wohnraum mit zwei Sofas vor dem offenen Kamin, auf einem die Tochter mit Patchwork beschäftigt — Renate gab es sofort weiter — , das Eßzimmer mit der ganzen Familie bei Tisch, in der Mitte die Kinder, oben und unten die Eltern. Neben Pixie ein leerer Stuhl. „Das ist sein Platz“, sagte sie mit einer Kopfbewegung zu Lukas, „er hat meist bei uns gegessen.“ Daniela lächelte. „Familienanschluß ist dein Schicksal.“
Es folgten Fotografien von Geselligkeiten. Ein Dutzend Menschen auf dem Rasen vor dem Haus, Serag im Kilt, neben ihm Lukas, der mit weitausholender Armbewegung gerade etwas schildert. „Du hast uns von deinen Highland games erzählt!“ erinnerte ihn Serag.
Das nächste Bild zeigte Lukas im Boot mit einer hübschen Frau. Serag lächelte maliziös. „Sie läßt dich grüßen.“
Bilder von der Moorhuhnjagd, Serag, Pixie, Lukas und eine Dame mit Kopftuch, dieselben auf einem Volksfest, auf einem Dampfer, s „Schöne Erinnerungen“, bemerkte Pixie.
Daniela fragte nach einem Bild von Lukas’ Haus. Es fand sich. Ein bescheidenes Häuschen mit Strohdach, davor ein offener Sportwagen. Die erwartete Frage blieb nicht aus. „War das deiner?“
Lukas schüttelte den Kopf.
„Nein!“ Renates Ausruf galt einem Foto, das Lukas mit Pausbacken beim Dudelsackspielen zeigt. Zwei junge Frauen hören ihm zu und lachen.
„Unser
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