Geständnisse eines graumelierten Herren
ihm zuliebe, weil er nicht im Restaurant essen mag. Er sieht’s an ihren Bewegungen. Auch hat sie wieder einen Friseurkopf auf, den er sofort zerzaust. Teuren Chablis hat sie mitgebracht, allerlei weltweite Vorspeisen, kandierte Früchte und andere Gaumenscherze aus der führenden Feinkostboutique am Platze. Also doch Restaurantessen, immerhin in den eigenen vier Wänden. Lukas, der in permanenter Nobelfresserei distinguierte Primitivität am Werk sieht, freut sich auf den Kartoffelsalat. Eine solide Basis für den „zauberhaften Liebesnachmittag“, um den sich der Aufwand rankt. Überhaupt steht ihm heut der Sinn nach Handfestem, die King-Kong-Rolle wird ihm leichfallen. Liegt es an ihr? Sie kommt ihm stiller vor als sonst. Von Serag und Pixie erzählt er, die sie ja kennt. Vom Wunsch der Schotten, er möge zurückkehren. Doch das erwartete Echo blieb aus. Kein Wort verliert sie über Detlefs Emsigkeit auf dem Messnerhof und ist dann auch gar nicht so schmerzfreudig hinter den zugezogenen Vorhängen. Heute, da er reicheres Repertoire hätte, verlaufen die Emotionskurven eher in seinem ureigensten Sinn und trotzdem parallel.
Die Übereinstimmung schmeckt nach Komplikationen, denkt er.
Ungewöhnlich lang liegt sie still in seinem Arm. Bis die Kompression ausreicht für die Frage: „Sag mal, würdest du mich heiraten?“
„Das weißt du doch!“ schickt er erinnernd voraus. „Nein.“ Und federt die Härte ab: „Ich heirate überhaupt nicht mehr.“ Jetzt ist es an ihr zu erklären, und was er da vernimmt, erklärt Detlefs Eifer.
Der Arzt für Rechtsleiden ist des äußeren Erfolgs müde. Sinn sucht er. In eigenen Radieschen statt in fremden Paragraphen. Die Kanzlei verkleinern und draußen wohnen, ist sein Ziel. Georgia großzügig abfinden, ihr freundschaftlich verbunden bleiben wie bisher, sein Vorschlag. Allein das Vertragsverhältnis soll sich ändern. Für Adrian nichts. Er hat Stadt und Land zur Wahl. Ausschlaggebend für die Wende sei nicht Renate, habe Detlef gesagt, ausschlaggebend sei Lukas. Dieser Mann mache es richtig! Das habe er bei der ersten Begegnung gespürt und immer wieder bestätigt gefunden. Sei es durch seine kühle Distanz gegenüber Erfolg, sein unbeirrter Ausbau mit unbeirrbarem Geschmack, sein freundschaftliches Verhältnis zur Landbevölkerung, Lukas strahle Ruhe aus, die in Naturverbundenheit wurzle. Oft habe er sich bei ihm heimlich Kraft geholt und er schätze sich glücklich, mit ihm befreundet zu sein. Es versteht sich, daß Renate mit im Spiel sei, die ja auch das Land gewählt habe, vor ihm. Allein fühle er sich für die Umstellung zu alt und nicht stark genug. Mit Renate sehe er seine Chance, man kenne sich lange und gut. Die Zeit dränge. Auch ihretwegen. Das platonische Dreieck im Bühlhof sei auf die Dauer nicht zu halten. In zehn Jahren vielleicht, jetzt noch nicht.
Da liegt der gelobte Schuldige neben der kleinlauten Geliebten. Vorbild ihres Ehemanns zu sein, das hat man — so offiziell — selten. Wo sind die Komplikationen der neuen Situation? Das hängt von Renate ab. Und von der dunklen Kraft des Messnerhofs.
„Wir lassen alles, wie es ist“, sagte Lukas in ritterlichem Plural, „Landleben kann man aus städtischer Sicht nicht planen. Schon gar nicht auf einem Hof.“
Sein „Nein“ verkürzt die vorgesehene Zeit zu zweit, obwohl er ihr noch launig zu bedenken gibt, nur als Geschiedene sei sie eine reiche Frau, und es unverantwortlich findet, ein gutgehendes Verhältnis durch Legalisierung zu zerstören. Er sei kein Mann für täglich. Und nicht für die Stadt. Außerdem lieber zärtlich, so wie heut, als gewalttätig und ordinär, was immer man darunter verstehe.
Im Feierabendstrom aus der autospeienden Stadt tut’s ihm leid. Unter der Dusche hat sie geweint und ist ziemlich reduziert in ihr Auto gestiegen, gar nicht verwöhnt und erfüllt.
Mal muß die Wahrheit raus. Vielleicht beglückt sie meine Absage im Nachhinein? Ich quäle sie entschieden lieber mit Worten als mit Griffen. Am liebsten überhaupt nicht. Wie wird man so? Von ihrer Innenarchitektur ist auch keine Rede mehr. Georgia, du rührst mich! Wenn Detlef mit ihr schon über Scheidung redet, muß er sich vorher bei Renate vergewissert haben. Ich kann’s mir nicht vorstellen...
Eingesponnen in Gedanken fährt der Experte für Landleben hinter dem gepflegten Geländewagen her, den eine Etagen-Gutbesitzerin lenkt, als habe sie ein Vollblut an der Trense. An der Hecktür lehnt eine
Weitere Kostenlose Bücher