Geständnisse eines graumelierten Herren
„Dann können’s jetzt mit’nand fahr’n.“
Während Lukas den Sattel höher stellte, folgte noch ein Nachschlag. „Vorgestern hat mein Mann zwei Räder auf’n Messnerhof g’liefert.“
Bei kalendergefügigem Wetter zog Lukas seine Jacke aus, nahm die Trauerkrawatte ab, schlug das rechte Hosenbein auf Halbmast und rollte unter genußsüchtigem Tiefatmen auf schmalen Reifen mit rundem Tritt am Waldrand entlang. Vereinzelt lagerten erste Rentner aus der Stadt, die wochentags Zeit haben. Dabei lüfteten sie ihre Wagen. Türen und Deckel standen offen wie Schrebergartenlauben, Besitzer putzten und polierten. Ein Paar machte das mitten auf dem Weg.
Die Klingel hatte Premiere. Leider ohne Publikum. Bei der Wagenpflege ist mancher Deutsche taub und blind. Lukas fuhr bis an die erste Tür, setzte den Fuß auf den Boden und klingelte sozusagen verbal weiter, doch ohne Aggression. „Würden Sie bitte Ihr Preßblech beiseiteräumen, daß ich mit meinem Edelstahl passieren kann.“
Ein Kopf tauchte auf, fassungslos im Ausdruck. Da keine Tat folgte, schlug Lukas die beiden Türen eigenhändig zu und fuhr vorbei, begleitet vom Gebalfer des Rechthabers im Unrecht — eine nationale Eigenart, auch das.
Sein Frühlingsfreiheitsgef ühl stellte sich wieder ein. Aus eigener Kraft, mit sich selbst im Gleichgewicht genoß er Landschaft und Rhythmus.
Renates Wagen stand noch vor dem Hof.
Die vertrauten Konturen nun wieder bunt verhüllt, saßen die beiden auf dem Kanapee beim Tee. Bella lag quer davor, eine Tasse für Lukas stand bereit. Er sah, daß er störte, fragte, ob er störe und hörte, er störe nicht. Also störte er mit der Frage, was es Neues gebe. So kamen sie wieder zu ihrem Thema, zum Verkauf der Schafe, den Renate bereits eingeleitet hatte. Morgen würden sie abgeholt, ein Stück Bühlhof amputiert. Zu diesem Entschluß schwieg er, mit der Ausstrahlung: Nicht schuldig. Seine Frage nach dem Messnerhof, wie es dort atmosphärisch sei, verstand Renate vielleicht absichtlich falsch. Sie heize sehr ein, gegen eine Kühle, die das Thermometer nicht mißt. Könne mit dem frischen Anstrich zusammenhängen und dem Uneingewohnten. Im Bett habe sie jedenfalls unter der Matratze eine Schafwolldecke, gegen Erdstrahlung.
„Und wann kommst du wieder zu uns?“
Daniela lobte ihn pantomimisch für diese versöhnliche Geste des Zerstörers, Renate gab sich als guter Kamerad.
Das werde sich finden. Detlef sei ihr durch Jahre ein immer hilfsbereiter Freund gewesen, da könne sie ihn jetzt nicht alleinlassen, wo er gerade dabei sei, das Büro zu verlagern.
„Und Georgia?“
„Das müßtest du doch wissen.“
„Ich bin ja immer hier“, stellte er fest.
„Sie lacht Detlef aus. Landleben könne man nicht planen!“
Das muß dein Text sein! sagte Danielas Blick.
Er ist dann gegangen. Damit die beiden noch reden konnten, hat er sich wieder in den neuen Sattel geschwungen und ist den Weg am Zu-Haus auf- und abgefahren. In der Stube hat er Renate zum Abschied um die Taille genommen, seine Hände auf ihrem Rückgrat gefaltet und sie festgehalten. Über aller Dankbarkeit möge sie den heiteren Eros nicht vergessen.
Da hat sie gelacht. Den solle er mal nicht überschätzen.
Aufs Zu-Haus zufahrend, schmuck mit den Fenstern oben, hörte er hinter sich einen Wagen vom Pacher heraufkommen und sah sich um.
Zu langsam für einen, der nichts will. Vom Straßenbauamt? Der Gedanke hob ihn aus dem Sattel, er lehnte das Rad an die Hauswand. Ein Mann mit Trachtenhut saß im Wagen, hielt neben ihm und deutete an der Fassade hinauf.
„Seit wann sind da Fenster drin?“
„Schon immer. Die waren nur zugebrettert“, fiel Lukas ein, weil er wußte, was war, darf sein.
Der Mann stieg aus und nahm den Hut ab. Er war der Kreisbaumeister. Lukas floh nach vorn, hinein mit ihm in die Stube. Ohne zu reden ließ er ihn sich umsehen. Das Holz mit Schicksal sollte sprechen, er gab ihm nur einen Obstler. Viel Zeit ließ sich der Herr über Raum und Dach, bis er Lukas vergnügt ansah und nickte. „Die Fenster sind nachträglich genehmigt. Prost!“
Sie setzten sich auf die Eckbank und dem Mann vom Zu-Haus wurde Lob zuteil. Einmalig sei das, stilistisch einwandfrei. Der Kreisbaumeister, um ein paar Ecken mit dem Alteisenhändler in der Kreisstadt verwandt, wußte seit Monaten von dem Umbau von dem Schotten, der wo das Althergebrachte so genau kennt.
„Hör ich, daß nix verdorben wird, verderb’ ich auch nix“, schloß der
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