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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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bewegen sich lustlos, kehren ihren Kindern den Rücken zu. Statt aufzupassen, daß ihnen nichts geschieht, reden sie über sich, von ihrer Selbstverwirklichung, an der die Brut sie hindert, reden von Urlaub, Essen und Kleidern. Geht ein jüngerer Mann vorbei, schauen sie sich nach ihm um. Eine, die gerade dazukommt, läßt ihr Kind hinterherlaufen, als gehöre es nicht zu ihr und bewegt sich auf Peilfrequenz, bis der Mann vorbei ist. Dann verengt sich das Gesicht wieder, ungeduldig ruft sie nach ihrem Kind, als sei das Leben schon an ihr vorbeigegangen.
    „Bloß kein Kind mehr!“ stöhnt eine andere.
    So hört sich das an, was er sieht. Sie wollten Kinder haben und haben Menschen geboren, die sie strapazieren. Sie geben sich überfordert, aus Bequemlichkeit. Die Angst, etwas zu versäumen, macht ihnen die natürlichste Pflicht zur Last. Und die Großmütter fehlen, die sich der Kleinen annehmen könnten. Die Großmütter sind auf Reisen. Auch sie wollen das Leben genießen. Alle Welt reist. Der feste Platz fehlt, die Mitte. Was für eine Generation wird das, die in dieser Verdrossenheit aufwächst?
    Zufrieden mit seinem Schicksal des Nicht-Vaters kommt er leicht verspätet ins Café. Daniela zeigt sich verwandelt, in neuem, grünen Kleid. „Ich brauchte dringend etwas Unnötiges.“
    „Geht’s dir auch so?“ Lukas zeigt ihr seine schwere Tüte. Sie sind sich wieder mal einig. Es gefällt ihm, was sie anhat, weil sie ihm gefällt, und sie findet, es mache schlank. Kleid und Hobel mußten sein. Das Leben draußen macht in schrumpfenden Abständen luxuslabil, wie er das nennt.
    Georgia läßt schön grüßen. Frisch vom Friseur ist sie Daniela in den Weg gelaufen. Heut wird die bürgerliche Ordnung auf ihrem Kopf nicht zerzaust. Daniela lacht laut, als er ihr davon erzählt.
    Nach dem Tee mit Leitungswasser legen sie ihre Tüten ins Auto, nehmen Bella und bummeln bei Weißt-du-noch-Dialog durch die Stadt. Sie kaufen nichts mehr ein. Einmal beinah doch. Daniela hat ein kariertes Hemd gesehen, das ihr für ihn gefällt, und weil sie sich selbst etwas gekauft hat, soll er, nach emanzipierter Logik, nicht leer ausgehen. Ihm ist das Geschäft bekannt, er sagt ihr, sie könne nichts für ihn tun. Zufrieden nichts zu brauchen, gehen sie weiter.
    Die Läden schließen. Jetzt zu fahren, muß nicht sein. Sie haben kein Ziel, aber eine Richtung. Sie sprechen nicht darüber, wollen einander überraschen, mehr mit der Absicht als mit dem Platz, den sie überqueren. Bella klebt eine Duftmarke aufs Pflaster. Drüben liegt der späte schoppen, doch da wollen sie nicht hin. Wenn Renate dagewesen wäre, vielleicht. Ihr könnten sie erklären, wie’s damals gewesen ist. Lukas hat sie ja nie mitgenommen. Der Milieuunterschied war seinerzeit eine Hürde und nichts für diese Runde. Die Zuneigung kam erst beim letzten Besuch nach ihrer Mauser, an der Freund Detlef gewiß seinen Anteil hat.
    Sie sind am Ziel. Auf der andern Straßenseite bleiben sie stehen, schauen hinauf an dem Haus, wo die Politikerin Daniela vor zehn Jahren gewohnt hat und ihn mit der alten Clique überraschte. Ein komplizierter Abend damals. Nur für einen Augenblick bleiben sie stehen, vor der bunt renovierten Altbaufassade, und merken, daß sie gleichzeitig weitergehen. Ohne ein Wort.
    „Ich wollt’ sehen, ob’s mir auch so geht wie dir“, sagt Daniela, zurück in seiner Wohnung, und er bestätigt’s.
    „Die eigenen, alten Adressen werden immer mehr zu Denkmälern von anderen Leuten.“
    Daniela hat die Beine auf die Polsterbäckchen seines Lieblingssessels gelegt und entspannt sich mit Fußkreisen vom langen Gehen. Hinter der verrippten Aquariumscheibe klatscht Regen auf die Terrasse, sie sehen einander an, lesen Gedanken: Bleiben wir hier und fahren erst morgen raus?
    Lukas holt den Korb aus der Küche: „Komm!“
    Bella steht schon an der Tür.
    Unterwegs singen sie Melodien aus ihren bewegten Jahren, das Scheibenwischerpaar schlägt den Rhythmus, wie ein doppelter Metronom. Jeder geht in sein Haus. Lukas hat sich von dem Anzug, in den er den ganzen Tag eingesperrt war, befreit. In Knittercord und Strickweste kommt er in die Stube. Auch Daniela hat sich befreit. Sie holen sich Kaltes aus der Küche, das Fernsehen zeigt Kulturmüll, banal-brutal, Daniela hat die Füße auf dem Kanapee unter eine Decke gesteckt. „Wir wollten doch den Sessel mitnehmen“, sagt sie. „Den holen wir beim nächsten Kleid“, sagt er. Beide verstummen, der Sprecher beginnt

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