Geständnisse eines graumelierten Herren
stützen. Als gelernte Witwe war sie der Selbstdarstellungsmöglichkeit erlegen. Die Trauergemeinde blieb unbeeindruckt. Das war Luggis Tag.
Überhaupt ist eine Beerdigung ein guter Platz, um Unklarheiten zu beseitigen. Man hat alle beieinander, die man sonst nicht treffen würde oder möchte. Nach Beendigung der Feier kam Uli vom Riedhof zu Renate — vielleicht wegen der zu hohen Rechnung — , seine Frau Irene nutzte die Gelegenheit, Daniela in ihrer Eigenschaft als Gura zu befragen, und Lukas machte sich mit der Bitte, nicht auf ihn zu warten, auf die Suche nach dem friesenblonden Schopf. Er fand ihn und wußte, wie er vorgehen mußte.
Die regionale Mentalität läßt es vernünftig erscheinen, Kritik mit Lob zu beginnen. Ohne vorausgegangene Aufwertung könnte der Einheimische sich sperren. Dann geht nichts mehr. Tut man ihm zuerst seine Qualitäten kund, belohnt er solche Menschenkenntnis mit Dank und räumt vertraulich sogar kleine Fehler ein, die der Gesprächspartner umgehend zu Mißverständnissen verkleinert. Zeigt der Einheimische daraufhin ein Lächeln, weil er nun weiß, mehr geschätzt zu werden, als er hoffen durfte, kann man ihn herzhaft anschießen. Das mag er. Weil’s nach dem Vorspiel wie freundschaftliche Frotzelei klingt. Je böser, desto liebevoller. Im Verlauf kann man die Gewichte nach Gutdünken verschieben. Diese zweigleisige Fahrweise unter fröhlichem Vorzeichen ist wichtiger Bestandteil der sogenannten Bauernschläue.
Maxi zeigte sich wohlgelaunt. Zuvor hatte er das Mädchen als seine Braut vorgestellt, Agnes Behmaier mit Namen. Er hätte das schon zu Neujahr im Sinn gehabt. Sie hätten sich aber nicht getraut, „weil man bei euch drei ja nie weiß, ob man net grad stört.“ Das war massiv mit vorsichtigem Satzbau. Man will sich nicht aufdrängen. Lukas’ Vorwurf, in Lob für seine Redegewandtheit verpackt, beschäftigte Maxi, — in Gelächter verpackt. „Und i ich soll die Leut gegen euch aufg’wiegelt hab’n? Ja spinnst denn du? Ihr g’hört’s doch zu uns!“
Lukas, gerade weit von diesem Eindruck entfernt, hoffte sich zu irren. Die Sache selbst aber wollte er nicht in Belustigung untergehen sehen und holte etwas weiter aus. Warum hätten denn so viele Fremde schöne Höfe? Weil die Bauern sie verkauft haben in ihrer Geldgier. Aufhören wollten’s, Häusler werden und die Felder als Grundstücke losschlagen, eins nach dem andern, damit man nix mehr arbeiten muß.
„Warum net?“ Damit erklärte Maxi Darstellungs- wie Handlungsweise als richtig.
Und dann gehe plötzlich das Jammern los — fuhr Lukas fort — , nix sei mehr da. Und wenn was da sei, dann sei’s zu teuer, weil die Millionäre auf den Höfen sich ja noch einmal bereichern wollen, wenn’s alles wieder verkaufen . Was sie reingesteckt haben in die feuchten, vergammelten Höfe, — davon rede niemand.
„Sowieso.“ Maxi und Agnes zeigten sich einig. „Die bäuerliche Kultur erhalten, die ihr verraten habt, — dazu waren’s gut genug!“ trumpfte Lukas auf, „aber dann sollen’s alles der Gemeinde vermachen und wieder gehen, damit die Gegend nicht überfremdet wird.“
Maxi spürte: Hier war eine genauere Antwort erforderlich. „Und des glaubst du, daß die jetzt von euch denken, weil i des g’sagt hab?“
„Sowieso“, bestätigte Lukas.
„Nix für ungut.“ Maxi grinste.
Das war’s, was blieb. Ein dummes Mißverständnis unter Freunden. Beide kannten die Spielregeln des dialektischen Agrarmachiavellismus und wußten: Wir haben über Kartoffeln gesprochen, aber Tomaten gemeint.
„Jetzt kauf ich mir ein Fahrrad!“ Damit trennte sich Lukas von Spezi und Braut. Daniela und Renate standen mit den Pachers beim Wagen auf der Wiese, er blieb auf dem Weg.
Kauf ich mir ein Rad, um nicht mit den beiden allein zu sein?
Lukas verwarf den Gedanken bei starken Vorbehalten gegenüber seinem Unterbewußtsein. Die Auswahl in dem Geschäft mit Tankstelle und Reparaturwerkstatt überraschte ihn mehr als die modische Vorliebe für englische Wörter. „Grüß Gott, Herr Mountdorn!“
Für künftige Ausritte leistete sich die Gutsherrenattrappe aus dem Zu-Haus einen Araber, und zwar einen japanischen, weil der dem ehemaligen Made-in-Germany-Qualitätsideal am nächsten kam. Modell gentleman mit zwölf Gängen und englischem Lenker. Die Geschäftsfrau lobte den Zeitpunkt des Kaufs. Jetzt im Frühling sei’s richtig. Die Feststellung bildete das Sprungbrett für das, was sie eigentlich sagen wollte:
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