Geständnisse eines graumelierten Herren
nehmen — sie sei ja auch betroffen — , und er könne sich auslassen über die Zerstörung von Natur-, Wasser- und Vogelschutzgebieten, Vernichtung bäuerlicher Existenzen, falls die Straße gebaut werde. Sämtliche Hofbesitzer der Gegend müßten vor die Fernsehkamera, auch Alois und Detlef.
Daniela trank von dem beruhigenden Fastenbier. „Es schmeckt noch besser als es dick macht.“ Erst nach dieser persönlichen Feststellung kam sie zur Sache. „Du kannst gleich morgen hinüberfahren und es Detlef sagen. Du hast jetzt eine hochaktive Zeit. Dein Mars befindet sich am Aszendenten.“
Dagegen half auch ihm das Fastenbier. Wenigstens während der Nacht. Lukas fuhr auf den Messnerhof, traf Renate, die mit Gummihandschuhen und Schutzbrille einen Stuhl in dampfender Steinsodalauge abbeizte. So mußte sie ihre Freude zügeln und war später froh darum, als sie dem Gespräch der Männer entnahm, wem der Besuch galt.
Detlef, in frischer blauer Schürze, wie ein Südtiroler am Sonntag, versprach sofortige Mobilmachung seiner einflußreichen Klienten und wollte hören, was Lukas sage und der sagte, was er hören wollte, ohne lügen zu müssen. Nur einen Satz ließ er weg: Schad um den Einsatz, wo auf dem Hof kein Segen ist! Davon war er überzeugt. Jetzt, in fertigem Zustand mehr denn je.
Alois, bei dem er sich zum Kaffee einfand, war nicht auf der Versammlung gewesen. Eine Kuh hatte gekalbt. Maxis Auslassungen entlockten ihm nur einen Satz „Euch hat der doch net g’meint.“ In Sachen Mobilmachung der Bauern gegen die Straße zeigte er sich unerwartet bedächtig.
„Da wirst net alle z’sammbringa! Die mittelgroßen Landwirtschaften werdn doch von der Regierung systematisch kaputtg’macht. Da rechnet mancher, ob er sich mit’m Schnellimbiß oder einer Tankstell an der Straß’ net besser steht als wie mit zwölf Küh im Stall. Drum sag i dir: I an deiner Stell dat net der sein mög’n, der wo dene die Chance womöglich vermasselt hat!“
Selbstverständlich waren die drei vom Bühlhof auf der Beerdigung vom Luggi. Nicht weil es erwartet wurde. Obwohl, Abwesende fallen hier auf, das letzte Geleit hat seine Bedeutung behalten, der Tod gehört noch zum Leben.
Renate kam rechtzeitig vom Messnerhof herüber, allein, und zog sich um; Daniela hatte Lukas eine schwarze Krawatte besorgt. Als sie eintrafen, quoll der kleine Friedhof bereits vor Menschen über, wie der Saal beim Unterwirt, als der Kreisbaumeister sprach, und es waren wohl dieselben, mit ihren Frauen diesmal. Alle hatten den hilfsbereiten Luggi gemocht, diesen stattlichen Mann mit seinen vielen Talenten und der einen Schwäche.
Frau Schmidhuber stand mit ihrer Angela vorn bei den Verwandten, die Pachers waren vollzählig da, auch Rosa mit Mann, Uli und Irene vom Riedhof, der Nachbar vom Messnerhof, der Nachbar vom Michlhof, aber nicht die alte Dame, doch der Unterwirt und der friesenblonde Maxi mit dem Mädchen aus der Käseabteilung, seit Rosas Hochzeit ein Paar.
Wenn sich die Gelegenheit ergab, würde Lukas mit ihm reden. Er sah sich weiter um, die andächtigen Bauern beeindruckten ihn. Welche Geschlossenheit strahlte von ihnen aus, ob befreundet, verfeindet oder gleichgültig, — im Ernstfall eine grimmige Gemeinschaft. Unter jedem Dickschädel weißer Kragen mit schwarzer Krawatte.
Stirbt diese Ordnung mit dieser Generation? überlegte er. Die Krawatte wird wegfallen. Oder es kommt sogar der Eckenkragen wieder. Gehören wir hier dazu?
Der Pfarrer sprach exemplarisch. Von der offenen Schwäche des Verstorbenen im Gegensatz zu den heimlichen Schwächen der hier versammelten Lebenden. Bei dem Satz: Luggi habe die Partnerin gefehlt, senkte Frau Schmidhuber den Kopf noch tiefer, und ihre Angela schaute von der Seite nach Tränen. Bei der folgenden Feststellung: jeder Mensch brauche einen Menschen, zu dem er sich vor Gott bekenne und es sei nie zu spät, sich füreinander zu entscheiden, schluchzte die Witwe laut. Der Pfarrer beachtete sie nicht. Über viele Köpfe hinweg sah er nacheinander Daniela, Lukas und Renate an.
Vom ländlichen Nachrichtendienst genau unterrichtet, mußte der geistliche Herr die Entwicklung auf Bühl- und Messnerhof gutheißen. Daß er in der Totenrede zur Heirat mahnte, war keine Abschweifung. Das Leben geht weiter und es soll Ordnung herrschen. Auf den Höfen wenigstens. Beim Abschied am offenen Grab hatte Lukas eine Ahnung. Und tatsächlich: die kräftige Frau Schmidhuber brach zusammen und ließ sich von Saubärn
Weitere Kostenlose Bücher