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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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besorgt.
    „Die Seele bleibt nicht bei der Familie, in der sie das letzte Mal inkarniert war. Sie streunt, sie ist gewissermaßen permanent unehelich.“
    Tini rümpfte ihr stattliches Riechorgan. „Agaçanter Gedanke...“
    Lipi stimmte ihr zu. „Wenn ich mir vorstelle, was man da schon alles gewesen sein könnte. Raubmörder...“
    Darauf zog Tini die Standesbremse. „Eine sehr kühne Idee, Herr Dornberg. Zu kühn!“
    Der Gast schüttelte den Kopf. „Biozyklisch. Wie der Körper wieder zur Erde wird...“
    „Bekannt, Herr Dornberg“, snobte Lipi.
    „Wem sagen Sie?“ hielt Lukas dagegen. „Und wo alles im Fluß ist, wie gesagt alles, sollte ausgerechnet unser Bestes, das was uns überhaupt erst ausmacht, nicht wiederverwendet werden? Wir sind nicht einmalig. Wir sind ewig.“
    Die wechselnden Rollen übersah Tini. Für immer einmalig zu sein, entsprach ihrem Selbstverständnis, der Schalk kehrte ins Auge zurück. „Dann werden wir Sie künftig Mac Dornberg nennen. Sie bleiben doch zum Essen?“
    Vom Schloß ging Lukas schnurstracks zu den Kommunisten. Gleich am nächsten Tag. Die saßen im Riedhof, an der Weggabelung, sechs an der Zahl, darunter nicht ein Kommunist. Der sie, bedingt scherzhaft, so nannte, war Lipi. Weil zwei Familien und zwei Ledige mit zusammen drei Kindern, unter einem Dach, die Männer bärtig, die Frauen mit ungehalfterten Busen, alle in Jeans und niemand über dreißig, für ihn eine Kommune ergaben. Hinzu kam, daß fünf der sechs Akademiker waren, ihr Studium jedoch abgebrochen hatten, zum Teil schon vor Beginn.
    Einer Empfehlung hatte es nicht bedurft. Das Schild bauernmöbel am Zaun genügte.
    Die Tenne, Lager und Ausstellungsraum in einem, hätte trotz großzügiger Abmessungen nicht kleiner sein dürfen. Hier fand sich, von der Kinderwiege bis zur Standuhr, vom Krautfaß bis zum Spinnrad, vom Dreschflegel über Truhen, Schränke bis zum Schüsselrehm — nördlicher unter dem Namen Tellerbord bekannt, wie er aus einem Buch wußte — einfach alles, was früher auf einen Bauernhof gehörte, sei’s für Arbeit, Komfort oder Zierde.
    Ein Schragentisch mit eingelegter Schieferplatte hatte es Lukas seit dem ersten Blick angetan, immer wieder ging er dran vorbei, bis er schließlich stehenblieb und den bärtigen jungen Mann mit Nickelbrille, der hinter einem halbhohen Küchenkasten, einem sogenannten G’halter, Heurechen an einen Balken hängte, nach dem Preis fragte.
    „Nur der Tisch?“ Die Gegenfrage in einem Ton zwischen Erstaunen und Vorwurf hatte Tiefenwirkung. Er wollte sich lediglich informieren, ganz allgemein, entgegnete Lukas, und da er sich abwandte, erfuhr er den Preis nicht. Die Standuhr war ein herrliches Stück, aber viel zu groß, zu wuchtig. Doch hinter der Bettstatt mit hochgezogenen Seitenwangen gegen Zugluft und Herausfallen, stand eine Eckbank mit gedrehten Stäben in der Rücklehne, in Ton und Abmessungen genau passend zu dem Schragentisch.
    Unsinn! redete er sich aus. Wo willst du’s denn hinstellen, wenn deine Sachen kommen? Es ist reine Gier. Wenn... wenn ich die alten Pubstühle ablauge — die haben auch gedrehte Stäbe und Beine... Nein. Nicht vergrößern auf die späteren Jahre! Und wenn ich was anderes rausschmeiße? Das wär was anderes. Den Trend aufs Land in die Stadt tragen. Pervers. Oder grade...?
    „Die beiden möcht’ ich! Den Tisch und die Bank. Vorausgesetzt, Ihr Angebot überfordert meine Bereitschaft nicht.“
    Ein Blick röntgte seine Brieftasche. Mit Lippenbewegungen, schnell wie beim Goldhamster, rechnete der Bärtige im Kopf und nannte eine erschreckende Summe.
    Lukas murmelte Unwillen, ohne besondere Artikulation. Seine Lautfärbung war ausfallend genug, um einen Preissturz in humanere Niederungen auszulösen. Sofort blockte er mit Barzahlung ab. Nicht gegen Wankelsinn verkäuferseits, vielmehr um seine eigenen Bedenken vor vollendete Tatsachen zu stellen.
    Während der manuellen Geschäftsphase sprachen sie weiter. Der Käufer bat, die Ware vorläufig hierlassen zu dürfen, er werde sie demnächst abholen; der Verkäufer bot Zulieferung an. Man brauche einen geeigneten Wagen, einen stabilen Dachträger zumindest. Und weil er die Anfälligkeit des spontanen Kunden für Bauernmöbel richtig einzuschätzen glaubte, fragte er ihn nach der Adresse.
    Warum hab ich das nicht gleich gesagt? Vielleicht war’s noch billiger geworden!
    Doch die Reaktion des Bärtigen fiel so reserviert aus, daß er mit einem Vorübergehend! abschwächte

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