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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Stall. Von dort her kam, wenn ihn das Tosen nicht täuschte, Motorgeräusch. Er trat ein, sah in flachem Scheinwerferlicht die Kühe auf ihren Plätzen, davor den Pacherbauern und seinen Ältesten beim Einfuttern, hinter ihnen die Bäuerin und das Dirndl. Sie melkten. Mit der Melkmaschine. Der Pacher-Alois richtete sich auf und lachte ihm zu. „Ja sowas! Bist mit’m Motorboot da?“
    Wieso ist der so fröhlich? wunderte sich der Nachbar auf Zeit. Seine Absicht beim Melken zu helfen — er habe das in langjährigem Landleben gelernt — , freute den Bauern narrisch, wie er sich ausdrückte, bevor er mit behutsamen Fingerzeigen zu den beiden Stalltoren und verschmitztem Lächeln andeutete, daß ihm der gute Wille vollauf genüge.
    Von der einen Seite sorgten die Scheinwerfer des Privatwagens für das nötige Arbeitslicht, am anderen Ende ragte der Traktor mit dem Heck in den Stall. Über eine angekoppelte Achse drehte sich ein großes, und mit einem Triebriemen verbunden, ein kleines Rad an einem dahinterstehenden Gerät.
    „Das hab ich mir mal gebastelt. Die Zapfwelle vom Traktor dreht 540 Touren. Das da ist ein alter Kompressor. Durch die Übersetzung macht der 1400 Touren und ist über den Gartenschlauch ans Saugrohr ang’schlossen. Weißt’, der Fortschritt taugt nur was, so lang man dabei unabhängig bleibt!“ Der Eindruck, den die Selbsthilfe auf Lukas machte, war nachhaltig. Von allen Seiten betrachtete er die simple Konstruktion. Sie sollte ihn mehr beeinflussen, als er im Augenblick ahnte.
    „Kommen’s mal g’mütlich zum Kaffee!“ Mit dieser Geste verschwand die Bäuerin hinter der nächsten Kuh.
    Zur Sintflut gesellte sich auf dem Rückweg die Dämmerung. Trotzdem zeitigte das Wedeln der Scheibenwischer Teilerfolge. Felder und Wiesen hatten sich in Seen verwandelt, als wolle das Leben dahin zurückkehren, woher es einst kam. Schicksalsgefügig lagerten die Schafe unter dem kleinen Schutzdach, mit beträchtlicher Bugwelle navigierte Lukas das Fahrzeug in den Roßstall zurück.
    Die öffentliche Energie blieb weiterhin aus. Eine Allzweckschere fand sich, die Schäfte von Danielas Gummistiefeln aufzuschneiden. An den verstärkten Fersen quetschte er seinen Schuhlöffel hinein, zum Schutz vor den befreienden Schnitten, für die er eigens ein Messer wetzte. Der Kreislauf dankte mit freier Zirkulation bis in die kalten Zehen.
    Das Holz im Herd war ungenutzt verbrannt, ein beträchtlicher Temperatursturz ließ ihn auch den Kachelofen der Stube in Betrieb setzen, dem Ölbrenner fehlte der ingeniöse Funke und Koks, womit der Kessel ersatzweise beschickt werden durfte, hätte auch nichts genützt. Die Anlage arbeitete nicht nach dem Schwerkraftprinzip. Das Wasser wurde durch Pumpen umgewälzt und die wiederum brauchen Strom.
    „Meine Lieben!“ sagte Lukas laut, „eure Unabhängigkeit ist nicht zu Ende gedacht! Die Antiquitäten stehen im Wohnbereich — leider nicht im Heizraum. Ein alter Kessel im Keller und dicke Rohre aus einem Abbruchhaus, — das fehlt. Rückschritt wäre hier Fortschritt. So braucht ihr dringend ein Notstromaggregat.“
    Die Zeit, die es dauerte, bis sich der Heizer in einen Koch verwandeln konnte, nutzte Lukas, um die Kühlschränke auszuräumen und den längst fälligen Abtauprozeß in leere, über drei Etagen versetzte Schüsseln zu kanalisieren.
    Kreativer Tropfenfänger! spottete der Männchenmaler, der ihm über die Schulter zusah. Nicht zu fassen, was so ein Körper alles braucht!
    Eine Kaltfront und eine Warmfront seien aufeinandergeprallt, erklärte der meteorologische Lagebericht am Abend aus dem Batterieradio. Noch immer war der Bühlhof ohne Strom. Ein überirdischer Volltreffer hatte eine wichtige Station des Versorgungsnetzes zerschlagen. Es werde fieberhaft daran gearbeitet.
    Während der Männchenmaler versuchte, sich vorzustellen, wie Deutsche wohl aussehen könnten, die fieberhaft arbeiten, pries ein Werbespot zum Kerzenschein Elektrogeräte an, und der Werbekongreß fiel ihm wieder ein, zu dem er erstmals in seine Heimatstadt zurückgekehrt war — vor zehn Jahren — , um sich mit einem einzigen Satz seiner Rede unmöglich zu machen, und das hieß frei: Wenn die Werbebranche Charakter hätte, müßte sie sich selbst verbieten!
    Mit einem Glas Drambuie saß er auf der Kachelofenbank, die Wärme im Rücken.
    Klingt kämpferisch, jung, unbequem! Dabei war ich nie Rebell. Eigentlich nur faul. Und empfindlich gegen falsche Töne...
    Vermutlich weil es so

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