Geständnisse eines graumelierten Herren
spricht.
„Anfangs hab ich’s draußen nicht ausgehalten. Ich dachte immer, ich versäume was, wenn ich nicht in der Stadt bin. Inzwischen ist es umgekehrt. Muß ich bei Sonnenschein rein, ist das für mich ein verlorener Tag...“
„So geht’s mir mit Nächten in Hotelbetten!“ vervollständigt er den Zyklus. Sie nickt überrascht.
„Vor fünfzehn Jahren, als meine Mutter starb, hab ich über Renates Firma die Wohnung teuer abgestoßen und den Hof billig gekauft. Meine Freunde hielten mich für verrückt. Landleben war damals noch kein Thema. Und in meinem Alter! Ich sag immer, ich wollte ja heiraten, oder dachte, ich sollte, weil alle meinten, ich müßte. Aber der Mann meiner Träume ist mir erspart geblieben. Um dieses Glück werde ich jetzt beneidet. Mittlerweile bin ich auch viel zu egozentrisch...“
„Ich kenne das“, scherzt er im Ernst, und malt sich aus, wie die selbständige Frau, allein auf eigenem Hof, die Bekannten in der Stadt mangels eigener Abenteuer beunruhigt.
Sie lacht kornblumenblau. „Und es sind genau die Leute, die mich mit Ratschlägen überschütten. Ich sollte doch den Giebel voll verglasen lassen, wo ich mein Atelier habe.“
„Jaja, das Landleben!“ spotten beide gleichzeitig.
Eine nette Person! Und gescheit. Da sie nicht gurrt, brauchst du nicht zu gockeln. Sehr kommod.
Ellens Frage nach dem Tageslauf eines Hofhüters kommt ihm gelegen. Auf ihre Reaktion gespannt, packt er alles in einen Satz. „Ich mache schlimme Dinge. Ich baue in Abwesenheit der Besitzer das Zu-Haus aus.“
„Da wird sich die Fernsehbäuerin freuen!“
Damit hat er gerechnet. Ellen bekennt: Sie kann Martina nicht ausstehen. Weil die rein will, habe Renate nicht ausgebaut, vertröste sie mit Suche nach einem geeigneten und nicht zu teuren Architekten.
So ist das also.
Und er fragte sie, was er sich selbst schon gefragt hat: Wieso geben die beiden ausgerechnet ihr ein Quasi-Wohnrecht? Ellen weiß es.
„Schlampige Gutmütigkeit!“
Und sie erklärt, was sie damit meint. Daß es diese Menschen gibt, die nett zu einem sind, gefällig, hilfsbereit, daß man sich gleich revanchieren möchte und das auch tut, weil sie einem an sich nicht liegen. Sofort sind sie wieder nett, gefällig, hilfsbereit und verpflichten einen erneut. Bis man merkt, daß ihr Einsatz schieres Geltungsbedürfnis ist, daß sie sich übernehmen müssen, weil sie sonst nicht ankommen, ist es zu spät. Da hat man sie längst am Hals. Als Freunde.
„Ich war auch hilfsbereit mit dem Ausbau“, lenkt er zum Thema zurück. „Handwerkliche Betätigung ist für mich wie ein Sog. Als hinge davon mein Überleben ab. Und ich hatte Zeit. Glauben Sie, die Überraschung gelingt?“
Die Antwort kommt nicht spontan, wie erwartet. Ellen muß nachdenken. „Bauen Sie mal schön weiter. Aber nicht zu weit!“
Er verbirgt die Wahrheit hinter gespannten Lachmuskeln, beläßt es bei zustimmendem Nicken, und spürt sogleich wie das Schwingungsbarometer fällt. Wo der eine verweigert, bleibt dem andern nichts, um anzuknüpfen. Man müßte wieder neu anfangen. Blick auf die Uhr, Handzeichen zur Kellnerin, Freude über die Begegnung und auf bald, sichern den Rückzug.
Zu spät kommt er ohnehin, soweit das beim Damenfriseur möglich ist. Zehn Minuten muß er noch warten, bis Georgia frisch gewellt im Auto schmollt. Sie haben sich nicht mehr gesehen, weil er nicht kam zu ihrem Herbstfest, nur abgesagt hat am Telefon. Die Harmonie muß t neu aufgebaut werden und er ist gespannt, wie das vor sich gehen wird. Mag’s mit der gescheiten Ellen zusammenhängen oder nicht, was Georgia jetzt sagt, wie sie reagiert, wird ihm, ohne daß er’s will, zum Test. In Gedanken schilt er sich dafür.
Was soll der Quatsch? Mach doch keine Heiratskandidatin aus ihr!
Sie macht auch keine aus sich, sie macht Vorwürfe. Sei sehr dumm von ihm gewesen, nicht zu kommen. Alle wären dagewesen, die nützlich werden könnten. Bald sei er ja in der Stadt, tröstet er und hofft es selber nicht. Aus dem kleinen Gewitter als Grund, den Hof nicht alleinlassen zu können, hat er schon am Telefon eine Sintflut gemacht. „Land ist anspruchsvoll!“ fügt er laut hinzu, „du wirst es sehen, wenn ihr einen Hof habt. Da kann man nicht immer weg, einfach abschließen und gehen, wie bei einem Appartement...“
Sie schweigen und das Schwingungsbarometer steigt. In seiner Wohnung schließt er die Tür. Umarmungsbereit steht sie da, aber er faßt ihr nur ins Haar. „Ich muß diesen
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