Geständnisse eines graumelierten Herren
kommt er ja!“ Ein Daumen hakt nach seinem Nacken und Lukas ist der Liebe, Gute, der die ganze Dreckarbeit gemacht hat, jetzt, wo’s niemand stört. Der Kuß, den Martina ihm gibt, freut Detlef und Georgia mehr als ihn selbst. Väterlich legt Lukas den Arm um sie, dankbar für das Argument Dreckarbeit, das sie ihm gegeben hat, mit ihrer geschulten Stimme.
Nach einem Blick auf die Uhr gesellt sich Detlef zu ihm. „Horchen Sie ein bißchen rum, was sich tut mit dem Messnerhof! Ob Köttgens einen anderen Anwärter hat. Das muß klappen! Sie täten mir einen großen Gefallen.“
Lieb tönt Georgia. „Er macht dir auch eine schöne Vernissage.“
Abwesend nickt der Ehemann. Ihm ist eingefallen, was er eigentlich sagen wollte. „Samstag ist unser Herbstfest. Wir rechnen fest mit Ihnen.“
„Smoking bitte!“ sagte sie, ganz Ehefrau.
„Übrigens“, Detlef lächelt dem Hofhüter zu, „ich möchte einen Vorschlag machen: daß wir auch Du zueinander sagen!“ Wie ein Klappmesser klappt er die Hand auf. Lukas schlägt ein. „Schließlich haben wir ja denselben Freundeskreis.“
Sofort ist Martina zur Stelle.
„Da gehör ich aber auch dazu! Okay?“
Bei seinem Stadttag unterscheidet sich der Landmensch vom Städter kaum. Er hat eine Liste und erledigt. Etwas langsamer vielleicht, angestrengter durch das zivilisatorische Reizklima Hast, Lärm, Gestank.
Bei der Zeitung war Lukas, hat mit dem Chefredakteur gegessen. Kann was werden, Bank und Post sind erledigt, Georgia schmollt beim Friseur, er wird sie abholen — genügend Zeit für die Besorgungen. Ohne Blinkerzeichen fegt eine junge Frau aus der Parkreihe. Der Schreck fördert seine Reaktion, ohne Blinkzeichen biegt er in die Lücke.
Nach dem unvermeidlichen: „Bitte, was kann ich für Sie tun?“ ersetzt er im Spirituosengeschäft, was Martina und Galan weggetrunken haben, Sherry, Port und Whisky vor allem. Für sich kauft er eine Flasche Drambuie, den Einstimmer zum Zeichnen. Mit schwerer Tüte, die er von unten halten muß, tastet er nach dem Griff der gläsernen Ladentür, da stürmt von draußen ein junges Paar herein und er hat Mühe, sich und seinen Einkauf zu schützen. Nicht das erste Mal, wie er feststellt. Ob an Türen, auf Gehsteigen, Treppen oder öffentlichen Verkehrsmitteln, — die Rücksicht gegenüber dem Mitmenschen hat seit seinem letzten Hiersein gelitten.
Vielleicht etwas für die Zeitung? Veränderte Gesellschaft...
„Bitte, was kann ich für Sie tun?“
Im Eisenwarengeschäft, wo er eine Rohrzange für die Armaturen im Zu-Haus verlangt, wird seine alarmierte Aufmerksamkeit in die Nase umgelenkt. Wieder ist es jene Erhitzung, die den Kauf abkürzt — er wollte ansich noch einen kompletten Werkzeugkasten für seine Wohnung erstehen. Seltsam. Denn nirgendwo fallen ihm Verkäufer oder Verkäuferinnen durch schnelle Bewegungen oder gar Anstrengung auf. Waschen sich seine Landsleute nicht mehr? Wo sie doch nach Schaufensterauslagen und den lästigen Werbezetteln in Zeitungen die protzigsten Badezimmer haben müßten?
Auf dem Rückweg zum Wagen sieht er, wie eine Dame, ländlich chic, mit umgehängter Anglertasche, an seinem Wagen gerade einen Zettel unter den Scheibenwischer klemmt. Gelegenheit, auch seinerseits einmal die Modefloskel zu gebrauchen: „Bitte, was kann ich für Sie tun?“
Nach kurzer Begreifblockade stellt sich heraus, daß die nicht mehr zu junge, herb-hübsche Frau, Renates Wagen an der Nummer erkannt hat und ihr mitteilen wollte, wo sie anzutreffen sei. „Wir konditern immer, wenn wir uns in der Stadt treffen.“
Lukas erklärt die Lage und stellt sich als Ersatz-Renate zur Verfügung. Das Café liegt auf der andern Straßenseite. Von Anfang an läuft der Dialog ohne Förmlichkeiten. Nachbarin ist sie, Ellen mit Vornamen, aus nördlichen Regionen zugezogen und angekommen. Zumindest als Malerin ländlicher Motive, in der geschätzten, weil erholsamen naiven Manier. Sie bewohnt einen der Höfe, von denen er beim Antiquitätentandler erstmals gehört hat. Auch über ihn weiß sie annähernd Bescheid, nicht nur dank dem ländlichen Nachrichtendienst. „Wenn ich mich nicht irre, besitze ich ein Buch von Ihnen über Schottland strange for strangers. Kann das sein?“
„Es kann.“
Ellen gehört zu jenen, die Renate und Daniela von ihrer Reise verständigt und mit Kartengruß von unterwegs bedacht haben, und er fragt sie ohne Umschweife nach ihrem Leben als Hofbesitzerin. Sofort wird klar, daß sie gern darüber
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