Geständnisse eines graumelierten Herren
Tortenaufbau zerstören!“
„Du läßt dir so schön Zeit!“ schwelgt sie. Seichte Animiertexte mag er nicht und treibt sie ihr gründlich aus hinter den neuen, zugezogenen Vorhängen. Mit den ruhigeren Schwingungen kommen die Wünsche, die Fragen.
„Ich freu mich, wenn du endlich hier bist und wir Zeit für einander haben.“
„Wann mußt du zu Haus sein?“
„Willst du schon wieder rausfahren?“
„Am liebsten würde ich liegenbleiben und morgen mit dir frühstücken“, schwindelt er ein bißchen.
„Dann laß uns das tun.“
Ihre Bereitschaft entlockt ihm die Wahrheit. „Oder laß uns rausfahren. Jetzt gleich.“
Ihrem Widerspruch widerspricht ihr Wunsch, mit ihm zusammenzubleiben. Sein Pflichtgefühl, den Hof nicht unbewacht zu lassen, beeindruckt sie. Aber wozu nimmt er den antiken Sessel mit den Polsterbäckchen auf den Armlehnen mit? Der stammt, wie er sagt, aus seinem Elternhaus, hat ihn sein Leben lang begleitet. Jetzt nimmt er ihn mit. Für ihr Zusammensein. Wie sie das rührt, sagt sie ihm nicht.
Es wäre auch der falsche Augenblick. Zur Zeit ist er ganz Fahrer, verwundert über den Verkehr, der sie hinausschiebt aus der Stadt und sich auch draußen nicht auflöst. Sie sind in die Stunde der Pendler geraten, der Freiberufler und leitenden Angestellten, die täglich zweimal Kolonnenhaft auf sich nehmen, um sich im Grünen die Kraft wiederzuholen, die sie die Fahrerei kostet. Immerhin kann die Familie am Land gedeihen, gewiß auch nicht ohne Probleme und nicht nur schulischer Art.
Lukas hat zu singen angefangen, dämpft mit kräftigen Naturtönen die Motormonotonie. Georgia kennt den alten Schlager und sogar die zweite Stimme. Sie hat einen hübschen Sopran mit leichtem Soubrettenflattern. Manchmal fehlt ihr der Text oder für langgehaltene Töne die Luft. Beides steigert die Laune, mit der sie fremde Fahrnervositäten von sich fernhalten. Manche Überholer schütteln die Köpfe, daß zwei beim Fahren so vergnügt sein können, andere lächeln, wie man einem Paar auf Hochzeitsreise zulächelt.
Nach fünfzig Kilometern wird es merklich freier. Jetzt läßt er sie vom Herbstfest erzählen und überlegt sich dabei seine Überraschung. Es genügt, wenn er ab und zu nickt.
Georgia soll in der Küche das Abendessen richten, während er auf dem Hof angeblich nach dem Rechten sieht. Sein Rundgang dauert länger. Sie nimmt es als Gewissenhaftigkeit, erwartet ihn an der Tür, atmet Landluft und genießt die Stille. Da kommt er. Sie geht ihm entgegen, geht ein paar Schritte im Dunkel an seinem Arm und versteht ihn ja so gut, wie recht er hatte, herauszufahren.
„Da brennt Licht! Hab’ ich übersehen“, rügt er sich und zieht sie mit sich fort zum Zu-Haus, um es auszuschalten. Die Tür quietscht. In der Diele hängt eine Birne am Draht von der Decke herunter. Georgia stutzt. Was ist mit dem Boden? Und die alte Tür, die er aufstößt — die war noch nicht da, auch nicht die Treppe drinnen, nicht der alte Holzboden, nicht der Spindelstock als Stehlampe. Das alles gab’s das letzte Mal noch nicht. Am Schragentisch vor der Eckbank steht der Sessel mit den Polsterbäckchen, im offenen Kamin brennt Feuer.
„Die Feuerstelle ist das wichtigste in einem Haus! Das Zentrum.“ Irgendetwas hat ihn veranlaßt, das vorwegzuschicken. Georgia ist unter dem Türstock stehengeblieben. Sie schaut in die karge Behaglichkeit aus altem Holz, Ebenmaß von Raum und Licht, er sucht in ihrem Blick den Widerschein, doch ihr Ausdruck wird kühl.
„Deswegen bist Du nicht zu unserm Fest gekommen!“ sagt sie, als sei das Zu-Haus ihre Rivalin.
Noch einmal das Gewitter aufzubauschen, käme ihm kleinlich vor. Er bekennt, daß sie gearbeitet haben wie die Galeerensträflinge, übers Wochenende, der Alois, der Maxi und er und daß es Spaß gemacht hat.
Noch immer steht sie unbewegt, sieht ihn nur an. „Du hast dir hier dein Nest gebaut. Du willst gar nicht mehr in die Stadt.“
Ich Elefant im Zu-Haus! rügt er sich stumm. Natürlich ist sie enttäuscht. Und er führt alle Entschuldigungen an, die sein schlechtes Gewissen für Renate und Daniela bereithält. Probeweise. Er habe Zeit. Im übrigen hänge der Nestbautrieb mit dem Beschützerinstinkt zusammen. So einfach ist nach seiner Darstellung der Mann geschaltet, einfach, wie er sie jetzt in den Arm nimmt und alle Bedenken mit Muskelzug zerquetscht. Erst als er sie in seinen Lieblingssessel vors Feuer setzt, brechen ihre Vorbehalte zusammen. Die Tränen in ihren
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