Geständnisse eines graumelierten Herren
Klappen am Kachelofen im Zu-Haus ein. Hoffentlich vergißt sie der Hafner nicht. Damit man die Wärmezufuhr im Obergeschoß regulieren kann.
Unversehens schiebt ihn Georgia auf Betrachtungsabstand zurück. „Du hast an Renate gedacht! Ich kenn dich doch! Ich seh’s dir an!“
Er läßt es dabei. Holz braucht er bald wieder für den Kamin in der Wohnung. Let y er lum reek! Laß deinen Schornstein rauchen — sagen die Schotten. Der Nachbar protestiert nicht mehr mit Operettenmusik. Vielleicht hat der Wind gedreht. Zwei Nachmittage lang hängt Lukas mit Ellen Bilder in der Galerie. Es ist gut mit ihr zu arbeiten. Georgia läßt ihn in Ruhe, redet nicht drein. Sie hat Grüße von Alfredo bestellt, der in irgendeinem seiner Pieds à terre weilt. Freunde von der schottischen Insel Mull haben geschrieben. Sie kommen eventuell zum Skilaufen in die Alpen und würden ihn gern sehen. Der Verleger und der britische Konsul haben ihn eingeladen, und das Kulturreferat der Stadt zur Feier anläßlich der Verleihung der Kunstpreise.
Georgia und Detlef haben nicht übertrieben. Zur Doppelvernissage ist gut die Hälfte der Partygäste aus dem Wilhelm-Palais versammelt, soweit er sich wichtige Gesichter merken kann; die Mietküche schwirrt mit Tabletts voller Drinks, Häppchen und Tröpfchen herum. Erstaunlich viele Jung-Bärte, die Profilprothese in allen Variationen zurecht gestutzt, an der Seite von wandervogelhaften Mädchen in unübersichtlich Buntem mit zu flachen Absätzen, Verleger und Chefredakteur mit Frauen, Schickeria als bewegliche Selbst-Exponate, der hagere, schlohweiße britische Konsul, ein schöner Mann, dessen Ausstrahlung die Frage aufwirft: Ist er gelassen oder langweilig? Mit ihm Tini und Lipi vom Schloß. Sie nicken durch das Gedränge. Georgia macht den Männchenmaler mit dem Kulturreferenten bekannt. Detlef quetscht sich mit Renate und Daniela näher. Sie begrüßen sich wie Bekannte, Fotografen blitzen, Reporter kritzeln, Martina schleppt Donicke samt seiner Eifrida an. „Mensch, alter Junge!“
Das Fernsehen stört mit brutalem Licht.
„Wir machen jetzt das Interview, okay?“ Die Fernsehbäuerin hält das Mikrophon in der Daumenzange.
Lukas tupft sich die Stirn ab. Der Bürger hat ein Recht auf Information! Auf was sonst noch alles er ein Recht hat, amüsiert den Männchenmaler seit seiner Rückkehr in diesen Rechtsstaat. Er selbst hat im Augenblick keins. Und Ellen nicht, die sich noch weniger bewegen kann als er. Der Drang zum Öl ist auch in der Kunst spürbar. Nun redet sie mehr, antwortet ausführlicher, obwohl man nichts sieht vor Menschen.
„Bei diesem Bild habe ich versucht...“ hörte er sie sagen und ihm wird bewußt, was ihm schon öfter aufgefallen ist, im Fernsehen, in Zeitungsinterviews: diese Unsicherheitfloskel. Regisseure, Architekten, Schauspieler, Bildhauer, Schriftsteller, — der Kulturschaffende „versucht“. Geschieht das aus Mangel an Zutrauen zum eigenen Können? Warum sagt niemand Das habe ich so und so gemacht? Wenn ein Werk fertig ist, sollte es aus dem Versuchsstadium heraus sein.
Der Männchenmaler steht neben sich, hört sich zu, was er alles nicht sagt, findet’s komisch, wie er zusammenzuckt, wenn jemand Kaufabsichten äußert und träumt von Landluft, ohne Menschen.
Hinter ihm taucht Daniela auf, wird aber vorbeigeschoben. Georgia, in einem anderen Strom, hat mehr Glück. Sie hält sich an seinem Arm fest. Renate und Detlef schauen herüber. Tini und Lipi rücken rhythmisch näher, wie Flaschen in einer Abfüllmaschine. Fremde stellen Fragen. Lukas hört sich antworten, seine Aufmerksamkeit gilt einer Person, die sich von einem kräftigen Kellner wie von einem Bulldozer den Weg bahnen läßt, direkt zu ihm, eine Person im hier ungewöhnlichen Trachtenanzug, am Revers noch das Sträußchen mit dem Schleifchen von der Hochzeit — der Alois.
„I muß doch mal schau’n was d’machst!“
Die Ausstrahlung des Pacherbauern verändert das Umfeld wohltuend. Er ist, wie er ist und scheißt si’ nix — wie man sagt. Die Überraschung war abgemacht, er hat Daniela und Renate hereingefahren, bis vor die Tür und dann ewig nach einem Parkplatz gesucht, in der ungewohnten Stadt. Lukas behält ihn bei sich, macht ihn mit Gästen bekannt und erfährt nebenbei, daß der Hafner jetzt fertig sei. Ein Superofen, urteilt Alois. Mit allen Klappen. Jetzt müsse ihn nur einmal jemand heizen. Damit beendet er das Thema. Man will sich ja nicht aufdrängen.
Georgia hat sich
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