Gestatten, Bestatter! - Bei Uns Liegen Sie Richtig
Versatzstücke zurückgreifen. Es sind oft die immer wieder gleichen Elemente, die nur neu gruppiert werden, die den Eindruck erwecken, Beerdigungen würden nach Schema F abgewickelt. Der Bestatter kann nicht für jeden Angehörigen das Rad neu erfinden.
Wer mehr haben will, wer es anders haben will, ja, der muss sich auch darüber im Klaren sein, dass dann hinter den Kulissen sozusagen eine ganze Eventagentur zum Einsatz kommt, die Evenagentur des Todes und des Trauerns.
Bei Daniela und Beat habe ich so meine Vorstellungen, wie wir die Trauerfeier gestalten, und ich bin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen werden, der jungen Frau einen eindrucksvollen Abschied zu ermöglichen. Ich habe mit ihr besprochen, dass wir die Trauergäste bitten werden, in Reisemänteln oder Ähnlichem zu kommen, jedenfalls nicht in Schwarz. Dann werden wir die Leute auffordern, aufzustehen und nach vorne zu kommen, um »tschüss« zu sagen. Wenn dann alle vorne stehen und sich verabschiedet haben, wollen wir den Sarg zu den Klängen einer passenden Musik hinausfahren, und alle sollen Beat hinterherwinken.
So habe ich es mit Daniela besprochen, und so wird es sicherlich ein richtiger Abschied werden.
Wir werden das gut und richtig machen.
Doch es kommt anders. Während ich im Kopf schon Details der Trauerfeier plane, piepst der Alarm durch unser Haus. Jemand hat in einer der Aufbahrungszellen den Notknopf gedrückt.
In der Halle stoße ich fast mit Frau Büser und Sandy zusammen, und so schnell waren wir selten bei den Abschiedsräumen. Dort treffen wir auf eine heulende Antonia, die in Beats Aufbahrungszelle deutet.
Ich schiebe meine Angestellte beiseite, schaue hinein und mir bleibt beinahe das Herz stehen: Blut, alles ist voller Blut.
Daniela hat sich die Handgelenke aufgeschnitten und liegt leblos am Boden.
Antonia ruft: »Ich glaub, die ist tot!«
Der Notarzt ist erstaunlich schnell da, und dennoch kommt es uns vor, als habe er Stunden gebraucht. Sandy hat Mullbinden um Danielas Handgelenke gebunden, während Antonia draußen auf dem Gang jammert: »Die ist bestimmt tot, die ist bestimmt tot!« Dann bringt Frau Büser sie weg.
Ganz kurz nach dem Notarzt kommt auch ein Rettungswagen, und zu viert arbeiten die Retter im Gang vor den Aufbahrungsräumen an Daniela. Sie haben sie dorthin getragen, die Örtlichkeit mit dem aufgebahrten Beat war ihnen dann doch zu viel.
»Gerade noch rechtzeitig«, hat mir der Arzt zugenickt, und mir fällt ein Stein vom Herzen.
»Wird sie durchkommen?«, will ich wissen, und der Arzt gibt sich hoffnungsvoll: »Ja, ich denke schon, sie hat zwar viel Blut verloren, aber das wird schon. Sie muss jetzt schleunigst ins Krankenhaus.«
Draußen auf der Straße sind dutzendweise Rentner und Hausfrauen zusammengelaufen. Es kommt selten vor, dass in unserer Straße ein Krankenwagen und ein Notarztwagen stehen, und dann noch ausgerechnet vor unserem Haus.
Es sieht gefährlich aus, wie Daniela da abtransportiert wird. Festgeschnallt auf einer Fahrtrage, einer der Retter hält eine Infusionsflasche hoch, und alle beeilen sich sehr.
»Was ist denn da passiert?«, ruft mir eine Nachbarin neugierig zu.
Eine andere fragt noch etwas blöder: »Ist bei Ihnen was passiert?«
Doch den Vogel schießt ein älterer Mann ab, der da fragt: »Na, ist einer Eurer Patienten doch nicht ganz tot gewesen?«
Er lacht meckernd, schaut sich beifallheischend um, und der eine oder andere grinst breit.
Uns ist nicht nach Lachen zumute.
Wir sind alle fassungslos.
Mit dieser Entwicklung hatte niemand gerechnet, konnte niemand rechnen. Die Signale der vorherigen Tage waren doch eindeutig, und es gab keinerlei Anzeichen, dass sie suizidgefährdet sein könnte. Für mich war sie auf dem besten Weg, die Abschiednahme in einer sehr persönlichen Weise zu vollziehen. Ich hatte mir alles so sorgfältig überlegt und war der festen Überzeugung, genau das Richtige zu tun.
Jetzt mache ich mir Vorwürfe.
»Chef, Sie brauchen sich doch wirklich keine Vorwürfe machen, wer hätte das denn ahnen können?«, versucht Frau Büser mich zu beruhigen.
Aber vielleicht hätte ich Daniela nicht alleine lassen sollen. Doch das tun wir immer, ich empfinde es als unhöflich, bei den Angehörigen wie ein Aufpasser stehen zu bleiben. Vielmehr ist es so, dass sie erst dann richtig Abschied nehmen können, wenn keiner dabeisteht.
Sicher, wir hatten es schon hin und wieder, dass jemand den Anblick dann doch nicht ertragen konnte oder sich in
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