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Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition)

Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition)

Titel: Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Reiter
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Erinnerungen so: »B5 aktuell! Es war Udo Reiters Idee. Der Hörfunkdirektor hatte mir einen ausführlichen Zeitungsartikel über France Info zugeschickt, ein Informationsradio, das im 20-Minuten-Takt Nachrichten und Informationen in ständiger Fortschreibung sendet. Reiters Frage auf dem Zeitungsausschnitt: ›Können wir so etwas?‹« Ich schrieb an den Rand des Artikels: ›Besser!‹ Mein Chef brummte zwar etwas von ›Angeber‹, aber wir flogen nach Paris, um uns kundig zu machen.« So war es. Weil auch Gerhard Friedl nicht Französisch konnte, nahmen wir Frau Czech mit, meine Referentin, die einige Jahre in Frankreich gelebt hatte und fließend Französisch sprach. Wir setzten uns nochmals in das Café am Montmartre und ließen uns von ihr stundenlang die einzelnen Blöcke übersetzen. Vorsichtshalber hatten wir uns auch schon einen Termin bei Radio France reservieren lassen. Dort erklärte uns ein freundlicher französischer Kollege Struktur und Arbeitsweise dieser Welle. Keine Musik, alle zwanzig Minuten Nachrichten, dazwischen feste Rubriken: Wirtschaft, Rechtsberatung, Sport, Stellenangebote, Kino, Reisetipps etc. Kein Beitrag länger als zwei Minuten. Keine Kommentare. »Wir kommentieren nicht, wir informieren«, sagte man uns.
    Zurück in München, vergab ich sofort Arbeitsaufträge. So ein Programm wollte ich unbedingt beim Bayerischen Rundfunk einführen. Damals war die Rundfunkarbeit
     noch weit weniger bürokratisch als heute. Man brauchte keinen Dreistufentest (das ist das absurd aufwendige Verfahren, mit dem man sich heute jede
     Neuerung im Programm genehmigen lassen muss), und die Gremien waren unkompliziert und kooperativ. Der BR stellte sechzig neue Mitarbeiter ein – als Crew
     für »CNN auf Bayerisch«, wie Gerhard Friedl das Unternehmen nannte. Schon am 6. Mai 1991 konnte das neue Programm auf Sendung gehen. Slogan: »B5
     aktuell. Die schnellste Art, Bescheid zu wissen«. Am Anfang sendete B5 von 6 bis 24 Uhr, Sonntag von 7 bis 22 Uhr. Es gab auch Pannen. Eine davon kann man
     nur in Bayern verstehen. An Fronleichnam hat sich die Redaktion in gut katholischer Tradition freigenommen und einfach das Musikprogramm von Bayern 3
     aufgeschaltet. Die »FAZ« nannte B5 daraufhin »den komischsten Rundfunksender der Welt«. Aber egal, wir waren da, der erste Informationskanal im deutschen
     Rundfunk. Er wurde zum Vorbild für eine ganze Reihe von Informationsprogrammen bei anderen Sendern und war die letzte große Innovation auf dem klassischen
     Radiomarkt. Natürlich habe ich das Konzept ein Jahr später mit nach Leipzig genommen.Seit Januar 1992 war von dort das Nachrichtenradio »MDR Info« in Mitteldeutschland zu hören und übernahm, kleine Pointe, auch die Nachtversorgung der bayerischen Hörer auf »B5 aktuell«.

Der Mann von der Frau Lehrer
    Auch privat hatte sich einiges getan. Als Lehrerin in Maisach im Kreis Fürstenfeldbruck war meine Frau in den umliegenden Bauerndörfern eine Respektsperson. Der Herr oder die Frau Lehrer galt da noch etwas. Wir gingen öfters in die Dorfwirtschaften zum Essen. Auf diese Weise kam ich in Kontakt zur Urbevölkerung. »Ah, Sie sind der Mann von der Frau Lehrer«, war allerdings eine Begrüßung, an die sich der angehende Medienstar, für den ich mich hielt, erst gewöhnen musste. In Rottbach, einem 1200 Jahre alten Dorf, in das schon Karl der Große einen Königsboten geschickt hatte, um einen Streit zwischen den Söhnen des Dorfgründers zu schlichten, lernte ich den Huber Peter kennen, den reichsten Bauern am Platz. Wir kamen ins Gespräch, und als ich ihm erzählte, dass ich auf einem Dorf groß geworden sei und gern wieder aufs Land ziehen würde, meinte seine Frau Rosa, dass man doch ein schön gelegenes Grundstück am Dorfrand habe, das man der Frau Lehrer verkaufen könne. Wir wurden handelseinig, und ein Jahr später, 1975, hieß unsere Adresse: Rottbach, Haus 36. Finanziell war der Hausbau grenzwertig. Ich hatte damals Angst, den Briefkasten aufzumachen, weil jeden Tag eine neue Rechnung in der Post war. Zum Glück konnte man als freier Mitarbeiter bei den deutschen Rundfunkanstalten ganz gut verdienen, vor allem durch Mehrfachverwertung. Ich schrieb Sendungen auf Teufel komm raus und verkaufte sie an den Deutschlandfunk und fastalle ARD-Sender. Vor allem Fred Boguth vom Sender Freies Berlin bin ich heute noch dankbar. Er musste mit seiner Sendung »Das Thema« täglich eine halbe Stunde Programm füllen und war ein zuverlässiger Abnehmer.

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