Gestatten, dass ich sitzen bleibe: Mein Leben (German Edition)
wie ihn.
Die »B3 – Radioshow« ist längst zu einer Radiolegende geworden: 14 bis 16 Uhr Gottschalk, 16 bis 17.30 Uhr Günther Jauch. Die Übergangsdialoge zwischen den beiden wurden zu einem Ritual, auf das halb Bayern jeden Nachmittag wartete, und zwar »quer durch die Generationen, die Bildungsschichten, die Berufsgruppen« (Gert Heidenreich). Jauch kam ins Studio, mokierte sich über Gottschalks Aussehen und las aus Hörerbriefen vor, die Gottschalk kritisierten. Der konterte mit Briefen, die ihn lobten und Jauch herabsetzten, und machte sich über Jauchs Biederkeit lustig. Ein Feuerwerk. Die beiden hatten mit ihrer Sendung wesentlichen Anteil daran, dass die aufkommenden Privatsender (allein in München waren es elf Stück) den Bayerischen Rundfunk nicht ernsthaft gefährden konnten. »Montags ist der Papi blau, drum hört die Mami Radioschau«, so fing Gottschalk die Radioshow-Woche an.
Es gab hinter dieser glänzenden Fassade allerdings auch eine hässliche Seite. Im Rundfunkrat wurde von seinen Feinden ein Dossier gegen
Gottschalk angelegt und auch im Haus gab die Anti-Gottschalk-Fraktion keineswegs klein bei. Um dieser Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen und auch
die konservativen Radiobedürfnisse zu befriedigen, setzte ich Claus-Erich Boetzkes, der heute in der ARD die 17-Uhr-Nachrichten präsentiert und als
Professor in Ilmenau Studenten in Medienwissenschaft unterrichtet, als Unterhaltungschef ein. Er stand für ein populäres Musikprofil, allerdings mit der
Auflage, die Radioshow unbehelligt zu lassen. Das ging eine Weile gut, aber nicht auf Dauer. Irgendwann eskalierte der »Musikkrieg um Bayern 3«, wie eine
Münchner Zeitung es nannte, und wurde in die Öffentlichkeit getragen. Gottschalk war zurückhaltend, aber Günther Jauch, dem inzwischen das ZDF eine Show
angeboten hatte, ging in die Vollen. In einem Interview mit der »Münchner Abendzeitung« griff er den armen Boetzkes und mit ihm gleich die gesamte
Personalpolitik des BR scharf an. Ich habe daraufhin einen von zwei personalpolitischen Fehlern gemacht, die mir in meiner Laufbahn passiert sind. Vom
zweiten wird noch die Rede sein, der erste war: Ich setzte Günther Jauch den Stuhl vor die Tür. Ich habe das später verdrängt, aber es war so. Er hat mir
erst kürzlich eine Kopie meines damaligen Briefes gezeigt: »Ich empfinde Ihr Verhalten als grobe Illoyalität und möchte Sie bitten, Ihren ohnehin
geplanten Abschied vom Bayerischen Rundfunk nun sofort zu nehmen. Sie wissen, dass der BR immer bemüht war, Ihnen optimale Arbeitsbedingungen einzuräumen … Nachdem Sie auf dieser Basis über Bayern hinaus Karriere gemacht haben, hätten Sie es eigentlich nicht nötig gehabt, sich bei Ihrem alten Arbeitgeber mit einem Fußtritt zu verabschieden.«
Das war unangemessen und überflüssig. Man wirft einen guten Mann nicht raus, nur weil er das Recht auf freie Meinungsäußerung etwas exzessiv wahrgenommen
hat. Aber ich war jung und rigoros und wollte mir von niemandem etwas gefallen lassen, auch nicht von einem erfolgreichen Moderator. Inzwischen habe ich
mich bei ihm entschuldigt, und er hat mir zur Versöhnung ein paar Flaschen Riesling von seinem Weingut geschickt. Den Münchner Privatsendern wird der
Streit recht gewesen sein. Auch Thomas Gottschalk war auf Dauer nicht zu halten. Abersein Abschied war karrierebedingt und verlief ohne Zerwürfnis. Im
Gegenteil, wir sind bis heute in best terms, und dass er nach »Wetten, dass …« wieder zur ARD zurückkehrte, war trotz des Misserfolgs von »Gottschalk live« für mich auch persönlich ein großes Vergnügen.
»B5 aktuell«, der Informationskanal des Bayerischen Rundfunks, hat eine Vorgeschichte. Ich war im Frühjahr 1989 bei einem Kongress der Europäischen Rundfunkunion in Paris. An einem Nachmittag saß ich in einem Café auf dem Montmartre. Im Hintergrund lief ein Radio mit einem merkwürdigen Programm. Ich kann kaum Französisch, aber ich merkte, dass dort ständig Nachrichten liefen. Immer mal etwas dazwischen, das ich nicht verstand, dann wieder Nachrichten. Das machte mich neugierig. Wieder zurück in München, begann ich zu recherchieren und fand heraus, dass es sich um »France Info«, den ersten europäischen Informationskanal, gehandelt haben musste. Er war 1987 nach amerikanischem Vorbild in Paris frankreichweit auf Sendung gegangen. Was dann geschah, schilderte Gerhard Friedl, der damalige Hörfunkchefredakteur desBR, in seinen
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