Gestern, heute - jetzt
oder nicht?
„Wir werden nicht lange bleiben“, versprach er. „Setz dich ein paar Minuten und warte, bis es dir besser geht. Dann gehen wir.“
Simone zwang sich zu einem Lächeln. Sie griff auf all die Jahre ihrer gesellschaftlichen Erziehung zurück – damit würde sie auch die nächsten Minuten überstehen. „Natürlich.“
Etienne sorgte dafür, dass sie an seinen Tisch platziert wurden. Sofort bestellte er mehr Wasser, frisches Obst und verschiedene Kleinigkeiten, an denen sie knabbern konnten. „Um Ihren Energielevel anzuheben“, erklärte er. „Meiner verstorbenen Frau war zu Beginn ihrer Schwangerschaften auch immer schwindlig. Leider war es ihr nie vergönnt, ein Kind bis zum Schluss auszutragen, aber Essen hat zumindest stets gegen den Schwindel geholfen.“
„Ich bin nicht schwanger“, erwiderte Simone rasch mit einem kurzen Seitenblick auf Rafe, ehe sie erneut den König anstarrte. Natürlich konnte sie sich denken, warum er auf seinen „kinderlosen“ Zustand anspielte, doch sie würde nicht zulassen, dass er sein Ziel erreichte. „Rafe erwähnte, dass Sie ein altes Weingut restaurieren wollen“, wechselte sie geschickt das Thema.
„Ja, das möchte ich.“
„Ein flüchtiges Interesse?“
„Nein, ein lange gehegtes Vorhaben“, konterte Etienne höflich. „Jetzt möchte ich es endlich umsetzen.“
„Wie schade, dass Sie in den vergangenen Jahren nie dazu gekommen sind, es zu tun“, versetzte sie zuckersüß. „Manchmal ist es einfach zu spät.“
„Das wird die Zeit zeigen.“ Etienne wandte sich an Rafael. „Natürlich erwarte ich nicht, dass Sie dieses Projekt unbesehen annehmen. Ich hoffe sehr, dass ich Sie dazu überreden kann, nach Maracey zu kommen und sich das Weingut selbst anzuschauen.“
„Und was ist mit Rafaels Verpflichtungen gegenüber seinem eigenen Weingut?“, fauchte Simone. „Erwarten Sie, dass er alles stehen und liegen lässt, nur um Ihre Launen zu befriedigen?“
„Simone“, rief Rafael, warf ihr einen scharfen Blick zu und schüttelte dabei den Kopf.
„Sie verfügen über viele Beschützer, señor “, bemerkte der König.
„Es scheint so.“ Nicht dass Rafael auch nur den Hauch einer Ahnung gehabt hätte, warum Simone meinte, zu seiner Verteidigung vorpreschen zu müssen. Er brauchte sie nicht. Außerdem verstand er nicht, warum sie dem alten Freund ihres Vaters so feindlich begegnete. „Aber Simone hat schon in einer Hinsicht recht. Wenn ich ein solches Projekt annähme, müsste es in meinen Zeitplan hineinpassen.“
Der Blick, den Simone dem König zuwarf, war voller Triumph und keineswegs freundlich. Zuerst Gabrielle und nun Simone. Was war nur an Etienne de Morsay, dass er beide Frauen derart verärgerte? Rafael hatte auf der Hochzeit Simones geschliffene Umgangsformen bewundert. Jetzt wurden sie von ihr geradezu ignoriert.
„Rafael, ich würde gerne gehen“, sagte sie. „Sofort.“
„In einer Minute.“ Er wandte sich wieder an Etienne. „In Ihrem Teil der Welt habe ich mir noch überhaupt keinen Ruf als Winzer gemacht, und auch hier in Australien arbeite ich noch sehr daran. Ich bin neugierig, wie Sie auf mich gekommen sind.“
„Ich habe Sie immer gekannt, Rafael.“
„Nein“, rief Simone, die vollkommen bleich geworden war und sich hastig erhob. „Das können Sie nicht tun!“
„Die Umstände zwingen mich dazu“, erwiderte er ruhig, erhob sich ebenfalls und verneigte sich leicht. Jeder Außenstehende hätte es für eine höfliche Geste gehalten, doch Rafael wusste nicht mehr, was er denken sollte. Auch er stand auf.
„Welche Umstände?“ Wenn Simone eine Katze gewesen wäre, hätte sie ihm das Gesicht zerkratzt.
„Die Monarchie verlangt es.“
„Ihre Monarchie interessiert mich nicht im Geringsten . “
„Das verstehe ich. An manchen Tagen würde ich sie auch gern vergessen.“ Die Schultern des Königs sackten herab, und mit einem Mal wirkte er zehn Jahre älter. Er wandte sich an Rafael, wobei all seine Gesten wie eine stumme Entschuldigung wirkten. „Ich wollte es Ihnen auf eine andere Art mitteilen“, begann er, „aber alle anderen Wege waren mir verschlossen. Ich möchte, dass Sie das wissen.“
„Nun sagen Sie schon, worum es Ihnen geht“, forderte Rafael ihn auf.
Er hatte ein schlechtes Gefühl bei dieser Sache. Simones offene Feindseligkeit. Gabrielles Entsetzen, als er das Treffen mit Etienne de Morsay erwähnte. De Morsays stechend blaue Augen, deren Blick sich in ihn bohrte. Der Mann
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