Gestern, heute - jetzt
Rafael endlich Mut fasste und ihm von den anderen Dingen erzählte, die während des Treffens geschehen waren.
„Ich habe heute eine Frau sehr verletzt, Dad. Ich habe einer Frau wehgetan, deren einziges Verbrechen darin bestand, mich beschützen zu wollen.“
Harrison nahm ihm die Schlüssel ab und öffnete die Tür. „Nun … verdammt, Sohn.“ In seinen Worten lag ein gewisser trockener Humor. „Niemand hat je behauptet, dass es einfach wäre, dich zu lieben.“
6. KAPITEL
Gabrielle und Luc nach ihren Flitterwochen wieder in Caverness zu haben, während die beiden Pläne schmiedeten, das alte Hammerschmidt-Haus und das Weingut zu restaurieren, bereitete Simone sowohl Freude als auch Kummer. Die Freude lag darin, die Gesellschaft des Paares zu genießen und die Liebe zu beobachten, die zwischen den beiden herrschte. Der Kummer rührte daher, dass Gabrielle von Rafael sprach und darüber, was in seinem sich rasant veränderten Leben geschah.
Rafael war nach Maracey gereist. Zusammen mit Harrison auf Etiennes Einladung hin, auch wenn Harrison zwischenzeitlich wieder nach Australien zurückgekehrt war. Wie es zu all dem gekommen war, verriet Gabrielle nicht, doch offensichtlich machte Etienne keinen Hehl daraus, dass Rafael sein Sohn war und somit ab jetzt ein fester Bestandteil seines Lebens.
Wie sich die Welt veränderte.
Simone kam frühzeitig in dem kleinen Dorfcafé an, das Gabrielle für ihr morgendliches Arbeitstreffen vorgeschlagen hatte. Rasch bestellte sie ein Mineralwasser und ein kleines, frisch gebackenes Baguette – keine Butter, kein Brotbelag, nur das Baguette. Gabrielle tauchte wenige Minuten später auf, fügte der Bestellung noch mehr trockenes Baguette und Mineralwasser hinzu sowie einen entkoffeinierten Latte Macchiato ohne Zucker.
„Also wirklich“, mokierte sich Simone, nachdem der Kellner verschwunden war, „warum bestellst du dann überhaupt einen Kaffee?“
„Aus Gewohnheit“, erwiderte Gabrielle. „So eine Schwangerschaft macht wirklich überhaupt keinen Spaß, wenn es darum geht, was man essen kann und was nicht. Kein Weichkäse, kein Wein, kein Kaffee, nur wenig Tee und höchstens einen Hauch Schokolade. Von meinen Lieblingsspeisen ist nichts übrig geblieben.“
„Wie ich hörte, soll Spinat sehr gut sein“, versetzte Simone und kicherte, als sie das Schaudern ihrer Freundin sah.
„Mir ist aufgefallen, dass du gestern beim Dinner gar keinen Wein getrunken hast“, bemerkte Gabrielle, die dabei ihren großen, dicken Arbeitsordner auf den Tisch legte.
„Kopfschmerzen“, erklärte Simone knapp.
„Vorgestern Abend hast du auch keinen Tropfen angerührt.“
„Zweimal Kopfschmerzen“, behauptete Simone. „Zweimal Kopfschmerzen und die unerwartete Sehnsucht nach einem abstinenten Leben. Verrat das bloß nicht unseren Händlern.“
„Ich habe gehört, dass du immer mehr deiner Marketingtätigkeit an deinen Stellvertreter delegierst, ganz zu schweigen von den Sachen, die du an mich abtrittst“, bemerkte Gabrielle als Nächstes, wurde dann aber von dem Kellner unterbrochen, der ihre Bestellung brachte. Zwei Glas Wasser, ein freudloser entkoffeinierter Kaffee und zwei Scheiben trockenes Baguette.
„Außerdem hast du abgenommen“, fuhr Gabrielle fort. „Du isst nichts von den Dingen, die du normalerweise magst …“
„Ich mache eine Diät“, wich Simone aus.
„Ach ja? Das solltest du aber nicht“, erklärte Gabrielle offen. „Nicht in deinem Zustand.“
Simone griff hastig nach ihrem Glas und nippte daran.
Frustriert ließ sich Gabrielle gegen die Stuhllehne fallen. „Du bringst mich tatsächlich so weit, dass ich frage, wer der Vater ist, nicht wahr?“
„Ganz im Gegenteil“, erwiderte Simone.
„Dann sagst du es mir, ohne dass ich rate?“
„Nein.“
„Ich hasse das“, schimpfte Gabrielle. „Ich hasse es, im Recht zu sein und gleichzeitig zu wissen, dass du mir nicht genug vertraust, um es mir zu sagen.“
„Also gut.“ Simone holte tief Luft und stellte ihr Glas sanft ab. „Ich bin schwanger.“
„Na endlich.“ Gabrielle wirkte keineswegs triumphierend. Nein, sie wirkte viel eher besorgt. „Warst du beim Arzt?“
„Ja.“
„Und es ist alles okay?“
„Ja.“
„Wie weit bist du?“
„In der zehnten Woche.“
Gabrielle seufzte schwer. „Gott, ich hasse es, recht zu haben.“
Genauso sehr hasste Simone es, als leichtsinnig, gedankenlos und dumm dazustehen. Sie hatte tatsächlich geglaubt, ihre niedrig dosierte Pille
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