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Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Titel: Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mairisch
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Feinripp-Unterhemd. Meine Hand tut weh, mein Puls pocht im Hals, ich hätte Lust, auch den anderen noch umzuhauen und so glotze ich ihn auch an. Dann drehe ich mich um und laufe dem Kleinen hinterher, sehe, wie er sich im Klo einschließen will, aber ich bekomme noch den Fuß dazwischen. »Verpiss dich hier!«, brülle ich. »Raus hier, hau ab!« Ich stehe vor ihm, aufgeplustert, alles in mir rast. Der Typ murmelt leise vor sich hin, ich solle nicht so stressen und da packe ich ihn einfach, schleudere ihn aus dem Bad in den Flur. Er prallt gegen die Wand und die vielen Leute im Flur hören auf, sich zu unterhalten, machen Platz und glotzen nur noch. Ich trete nach ihm. »Fick dich, du Arschloch!«, schreie ich und stoße ihn den Flur runter und gegen die Haustür. Ich schubse ihn ins Treppenhaus, schmeiße die Tür ins Schloss, mein Kopf dröhnt. Und gerade als ich mich umdrehe, kommt der andere Typ, greift sich Jacken und Taschen und drückt sich an mir vorbei und aus der Tür. Ich brülle ins Treppenhaus, dass sie sich verpissen sollen, schmeiße die Tür ins Schloss, die Leute gucken.
    Ich renne in die Küche, das Zucken im Hals. Ich bin wach, so was von wach, mein Magen flattert und ich denke: Jetzt. Ich schnappe sie mir einfach. Ich gehe rüber zu Marta, ich packe sie am Arm, ich zerre sie einfach raus. Weg von dieser Party, weg von dieser Wohnung, diesen Menschen. Wenn es nötig ist, werde ich sie fesseln und wegtragen. Ich werde sie auf die Rückbank meines Wagens werfen, mich ans Steuer setzen und aus dieser Straße jagen, diese Stadt verlassen und fahren, einfach fahren. Weg von hier, weit weg, nach Friesland. In unser Dorf oder in eine kleine Stadt am Meer mit Möwen, Wind und zwanzig Sorten Nieselregen. Wo man sich einmal im Jahr verkleidet und Rummelpottlaufen macht. [Einmal im Jahr, Marta, nicht die ganze Zeit!] Mit Deich und guter Luft, mit Gemüsemarkt und frei laufenden Hühnern, mit Apfelbaum und Nebel, und natürlich haben die Penner die Steaks auf dem Herd gelassen. Verkohltes Fleisch, Rauchschwaden, Gestank und kein Mensch, der sich dafür interessiert. Ich werfe die Pfanne mit dem Fleisch in die Spüle, das Wasser zischt, das Fett spritzt und explodiert ein bisschen. Ich verbrenne mich am Unterarm, aber mir gefällt das Gefühl, in diesem Moment gefällt es mir, wie ich hier stehe und mein Herz pumpt und ich Schläge verteilen will und meine rechte Hand anschwillt, pumpt und schmerzt und die kleinen Fettspritzer Blasen auf meinem Unterarm aufwerfen. Ich denke: So fühlt sich das also an, Leidenschaft. Und dann laufe ich los. Ich schubse die Leute aus dem Weg, Marta sitzt in einer dunklen Ecke und redet mit Burhan. Ich stelle mich vor sie hin und packe sie am Arm. »Komm, wir gehen!«, sage ich und Marta guckt mich an, als wüsste sie nicht, von was ich rede.
    »Was?«
    »Wir müssen jetzt los. Komm.«
    Sie dreht langsam den Kopf, sieht Burhan an, dann lachen sie beide.
    [Marta, jetzt oder nie.]
    »Komm.«
    Marta stößt meine Hand von ihrem Arm und sagt: »Spinnst du, Paul? Ich feier hier ne Party.«
    »Wir wollten nach Friesland.«
    »Paul.«
    »Marta.«
    »Nicht jetzt.«
    [Wann dann, Marta?] Ich nicke, ich glaube, ich nicke sehr lange, viel zu lange, aber ich kann mich sonst nicht bewegen, Burhan und Marta grinsen schon, dann schaffe ich es endlich, mich umzudrehen. Ich falle in das nächste Sofa und ich denke: So fühlt sich das also an.
     
    Wir saßen im Gras und kriegten nasse Ärsche, obwohl die Sonne inzwischen brannte.
    »Das Leben ist an die Lebenden vergeudet«, sagte Marta etwas wichtigtuerisch und warf ihre splissigen Haare mit einem immer noch eleganten Schwung in den Nacken.
    »Boah, Marta«, machte ich.
    »Ich glaube«, sagte sie, »wenn man tot ist, weiß man erst, was das eigentlich ist: Das Leben .«
    So einen Quatsch haute sie manchmal raus, einfach so, ich habe mich immer gefragt, ob ihr so was in dem Moment einfiel, in dem sie es sagte. Ich schaute sie an und freute mich über diesen ruhigen Moment und dass ich offensichtlich ein großes und gut funktionierendes Herz haben musste, wenn Marta und der viele Unsinn, den sie trieb und sogar noch der ganze Wust, den sie redete, dort so vollkommen problemlos reinpassten.
    Ich fragte nicht nach, ich wollte Marta nicht vorführen. Ich liebte sie. Ich liebte Marta, obwohl das Wahnsinn war. Denn Marta würde sterben. Ich rechnete immer damit, dass sie plötzlich nicht mehr antworten würde. Dass sie nicht vom Klo zurückkam, dass sie

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