Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
Ausstieg aus der Welt der VHS-Männerkochkurse hatte er – schon aus Prinzip – kein Küchengerät mehr zur Hand genommen. Weswegen er Klaus auch grundsätzlich nie im Bistro half, obwohl es eigentlich sein Bistro sein sollte.
Seifferheld gab auf. Er trank den Kaffee, den Klaus ihm mittlerweile vor die Nase gestellt hatte. Einfach mit dem Strom schwimmen, dachte er sich. Die Leiche hatte er über diesem Kommunikationschaos völlig vergessen.
Olgas Fingernägel waren längst weitergewandert und hatten sich nun in das Knie von Klempner Arndt (gletscherblauäugig, 192 Zentimeter, muskulös, nach Davidoff duftend) verkrallt, der im direkten Wettbewerb mit dem zwanzig Jahre älteren Seifferheld (mausbraunäugig, 178 ½ Zentimeter, nach Sir Irish Moos riechend) eindeutig im Vorteil lag, allerdings nicht freiwillig. Arndt sah aus, als hätte er gerade eine besonders unappetitliche Made verschluckt.
»Unser Buch wird ’eißen: Das Kochlöffelgeschwader – Männern in die Töpfe geschaut! Na, was sagt ihr, Jüngs? C’est absolument magnifique, n’est-ce pas?! «
»Bravo!«, rief Schmälzle. »Darauf einen Dujardin!«
»Wie bitte?«, staunte Seifferheld. »Wovon sprecht ihr hier eigentlich?«
»Siggi, fang endlisch an, deine E-Mails zu lesen!«, beschwerte sich Bocuse. »Isch ’abe euch gemailt, dass so viel Potenzial wie eures nischt vergeudet werden darf. Wir werden ein Kochbuch schreiben! Und isch ’abe einen Verlag gefunden, der uns druckt! Für nur fünfhundert Euro pro Nase. Dafür bekommt auch jeder zehn Freiexemplare. Endlisch wird euer Talent gewürdigt.«
Talent? Zum Kochen?
Normale Menschen verstanden unter »kochen« pochieren, anschwitzen, reduzieren, braten, blanchieren; die Kochjungs verstanden darunter auftauen und in die Mikrowelle schieben.
Seifferheld schüttelte unwillkürlich den Kopf und sah seine Kurskumpels an. Die konnten doch kein Kochbuch schreiben. Die konnten noch nicht mal eins lesen.
»Ich hätte uns ja bei meinem Hausverlag untergebracht, aber der veröffentlicht ausschließlich Wanderbücher. Und es wär auch teurer geworden«, warf Guido ein, doch keiner schenkte ihm Gehör.
Sie stießen mit ihren Mohrenköpfleflaschen an. Bis zum letzten Mann war jetzt durchgesickert, dass sie kurz davor standen, Erfolgsautoren zu werden. Und jeder stellte sich unter Erfolgsautor etwas anderes vor: Groupies, dachte Klempner Arndt, der Frauen mochte. Frauen und Abflussrohre. Beförderung zum Oberstudiendirektor aufgrund außerschulischer Leistungen, dachte Mathelehrer Horst. Stapelware neben der Kasse, in der siebzehnten Auflage, dachte Eduard, der Buchhändler. Endlich im Feuilleton der ZEIT, dachte Schmälzle selig, der es mit seinen Wanderführern noch nicht über eine Kritik im Haller Tagblatt hinaus gebracht hatte (und die hatte seinerzeit sein guter Kumpel Ralle geschrieben). Geld, dachte Gotthelf, der Pfarrer war und sein gesamtes Honorar an Brot für die Welt zu überweisen gedachte. Endlich keine hungernden Kinder mehr auf dieser Erde!
---, dachte Klaus, der so gut wie nie dachte, bei ihm herrschte im Oberstübchen grundsätzlich Leere.
Nur Seifferheld dachte, dass man mit Büchern, die im Selbstverlag erschienen, kein Erfolgsautor werden konnte, und wer anderes behauptete, log oder war Selbstverlagsbetreiber.
»Lokalrunde!«, rief Bocuse, und Klaus holte eine zweite Kiste Bier aus dem Kühlraum.
»Äh …«, wollte Seifferheld seine Vorbehalte artikulieren. Er war der Bedenkenträger in ihrer Runde, doch er hatte keine Chance.
»Auf das Cover kommt aber ein Foto von uns allen!«, verlangte Eduard.
»Fotos kosten extra«, warf Bocuse beiläufig ein.
»Und hinten Lebensläufe von uns allen, mit Kontaktadressen«, schlug Klaus vor, der hoffte, dass dadurch eine hübsche Frau auf ihn aufmerksam werden würde. »Mit Porträtfotos!«
»Leicht bekleidet«, legte Olga noch eins nach, die sich das YouTube-Video von den Kochjungs bei ihrem Quasi-Nacktauftritt während des baden-württembergischen Amateurwettkochens geschätzte einhunderttausendmal angeschaut hatte.
»Siggi, der Freund von deiner Nichte ist doch Fotograf. Der soll die Fotos schießen. Da kriegen wir Rabatt. Oder er macht es sogar für umsonst – es bleibt ja schließlich in der Familie!«, freute sich Gotthelf, der sich immer freute, wenn er was sparen konnte.
»Der kann dann auch gleich Fotos von unseren zubereiteten Gerichten machen. In Kochbüchern muss es immer Fotos von etwas Essbarem geben«, erklärte
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